Sünde Liebe

 

Klosterdrama: »Jenseits der Hügel« von Cristian Mungiu

 

Lesbische Liebe und ein Exorzismus im rumänischen Hinterland. Das klingt nach den Bausteinen für einen Exploitation-Reißer, einem B-Movie mit viel nackter Haut, düsteren Gemäuern und satanischen Ritualen. »Jenseits der Hügel« könnte nicht weiter von solchen Fantasien entfernt sein.

 

Alina besucht ihre Freundin Voichita im Kloster. Die beiden jungen Frauen scheint mehr zu verbinden als eine enge Freundschaft. Das lässt sich auch an der Unbedingtheit ablesen, mit der Alina versucht, ihre Freundin zur Flucht aus dem Nonnendasein zu überreden. Voichita weigert sich jedoch. Alina rebelliert in der Folge immer heftiger gegen die Regeln im Kloster. Da sie ihren Widerstandswillen nicht brechen können, steht für den Abt und die Nonnen irgendwann fest: Alina muss vom Teufel besessen sein.

 

Vor fünf Jahren gewann der bis dahin weitgehend unbekannte rumänische Regisseur Cristian Mungiu für sein Abtreibungsdrama »4 Monate, 3 Wochen, 2 Tage« die Goldene Palme in Cannes. Sein Nachfolgefilm ist fast ein Pendant dazu: Erneut stehen zwei Freundinnen im Mittelpunkt, die ein Geheimnis vor Autoritäten zu verbergen versuchen. Erneut beeindruckt Mungiu mit einer ebenso klaren wie strengen Inszenierung seiner Geschichte, die diesmal auf einer wahren Begebenheit basiert.

 

Am fast zweieinhalbstündigen Epos hätte André Bazin, der 1958 verstorbene Verfechter des filmischen Realismus, seine Freude gehabt. Mungiu setzt mithilfe seines herausragenden Kameramanns Oleg Mutu die Vorstellungen des Franzosen zur filmischen Darstellung der Wirklichkeit so um, als habe er nie einen anderen Filmtheoretiker gelesen. Jede Szene besteht aus einer ungeschnittenen langen Einstellung mit großer Tiefenschärfe. Der Zuschauer kann seinen Blick frei durch die Weite der Cinemascope-Bilder wandern lassen. Weder Montage noch die Hierarchisierung des Bildausschnitts durch unscharfe und scharfe Bereiche lenken die Aufmerksamkeit auf bedeutsame Ereignisse oder Gegenstände. Ähnlich wie in der Realität ist jeder aufgefordert, seine Wahrnehmung selbst zu richten, Sinnzusammenhänge zu erschließen. Das braucht Zeit.

 

So sehr in der ersten Hälfte von »Jenseits der Hügel« die immer wiederkehrenden Rituale des Klosterlebens und die Dis-kussionen der Freundinnen nach einer Straffung zu verlangen scheinen, so sehr wird diese Geduld am Ende belohnt — mit einer emotionalen Wucht, die ohne dieses völlige Eintauchen in eine fremde Welt kaum möglich wäre.