Als Nerds noch uncool waren

Low-fi-Komödie: »Computer Chess« von Andrew Bujalski

Sony AVC-3260 heißt die Videokamera, auf der »Computer Chess« gedreht wurde. Sie kam 1969 auf den Markt. Andrew Bujalskis völlig unberechenbare Geschichte über eine amerikanische Meisterschaft im, natürlich, Computerschach, die in den frühen 80er Jahren in einem katzenverseuchten Hotel stattfindet, wird von dieser Videokassette in den sonderbarsten Bildern eingefangen, die man dieses Jahr im Kino sehen kann: Bilder in kontrastarmes, vergrisseltes Schwarz-Weiß getaucht, die instabil und störungsanfällig sind und die manchmal komplett in sich, das heißt, in die einzelnen Bestandteile des elektronischen Signals zusammenbrechen, fragile, wunderschöne Bilder, die ihre Gegenstände niemals ganz besitzen, sie nur vorsichtig und provisorisch abzutasten scheinen.

 

Bujalski hat vor »Computer Chess« drei kleine, unaufdringliche Filme auf analogem 16mm-Material gedreht: dialogintensive Beziehungs- und Milieustudien, die zu Schlüsselwerken des neuen amerikanischen Indiekinos wurden und den sogenannten »Mumblecore«-Stil mitdefinierten. Die Mumblecore-Bewegung läuft in ihrer Low-Fi-Bescheidenheit und ihrem Hang zur Selbstbezüglichkeit gelegentlich Gefahr, zu ihrem eigenen Klischee zu verkommen. »Computer Chess« ist gerade für diesen Produktionszusammenhang visionär, weil Bujalski dem »Indie-Gefängnis« nicht nach oben, in Richtung Hollywoood und Qualitätsfernsehen, sondern nach unten entkommt: Der Film distanziert sich vollkommen vom Hochglanzwahn der HD-Gegenwart, findet eine andere, widerständigere Geschichte des Videofilms, lässt sich von den Techniken und der Bildlichkeit der home videos inspirieren und ist außerdem eine Liebeserklärung an all jene Bastler und Nerds, deren Ideen nicht immer schon vom Denken an Vermarktbarkeit und der eigenen Karriereplanung eingeengt sind.

 

Darüber hinaus ist »Computer Chess« eine Art Generationenportrait. Die idealistischen jungen Männer sind in dem Hotel nicht allein, in anderen Räumen hat sich eine New-Age-Sekte einquartiert, die ekstatische Seancen im Versammlungsraum abhält, außerdem treiben aufdringliche Swinger mittleren Alters ihr Unwesen, die auf die sexuell nicht unbedingt übereifrigen Nerds ein Stockwerk höher ein Auge geworfen haben. Beide Gruppen sind offensichtlich Relikte der 70er Jahre. Die rationalistisch-keusche Jugend der 80er kann mit ihnen und ihren Glücksversprechen wenig anfangen, sehnt stattdessen die technologische Singularität herbei und hört gespannt zu, wenn die Computer spät nachts von alleine zu sprechen beginnen.