Ambivalente Eindeutigkeiten

Azealia Banks ist ein Lästermaul, aber sagt das was über ihre Musik aus?

Azealia Banks hat Beef. Wo? Auf Twitter. Mit wem? So ziemlich jedem. Egal ob Miley Cirus, die Rap-Kolleginnen Angel Haze und Nicki Minaj oder die Madchester-Veteranen von den Stone Roses: Azelia Banks braucht nur 140 Zeichen, um sich Feinde zu machen — manchmal für’s Leben und niemals mit Rücksicht.

 

Zugegeben, Großmäuligkeit ist eigentlich gut für’s Geschäft, beson-ders wenn das Geschäft wie bei Azealia Banks aus dem Verfassen von Reimen besteht. Aber weil der Markenwert von Musikern in erster Linie durch Gastauftritte, Remixe und Namedropping entsteht, sind Azealia Banks’ Tiraden ziemlich nah am kommerziellen Suizid. 

 

Lange war ihr das egal, anstatt die erste Garde amerikanischer HipHop-Producer zu engagieren, hat sie ihre Verse an Bassmusik-Produzenten zwischen Glasgow und Berlin gemailt. Aber die Zeiten nähern sich dem Ende. »ATM Jam«, ihre letzte Single, ist eine Zusammenarbeit mit Starproduzent Pharrell Williams. Und das letzte Ziel ihrer Wortattacken sind die beiden britischen Garage-Producer Disclosure, über deren Retrobeats sie noch im Sommer gerappt hat. »Greatest Studio Session EVAR«, schrieb sie damals, nur um die gemeinsame Aufnahmen ein paar Wochen später als »F-Seite, eine Fuck-You-Seite« abzutun. Der Grund: Angeblich hätten sich die beiden Jungproducer im Interview zu despektierlich über die 22-jährige New Yorker Rapperin geäußert. So leicht fällt man in der Gunst von Azealia Banks. Ihr Debütalbum »Broke with expensive Taste« hat sie derweil abermals verschoben: vom Herbst 2012 auf den Herbst 2013 und aktuell auf den Februar nächsten Jahres.

 

Dass Azealia Banks mit all dem durchkommt, hat sie ihrem Mundwerk zu verdanken. In Großaufnahme präsentierte sie es vor gut zwei Jahren in ihrem ersten Video. Mal blies sie im x-fach Zoom einen Kaugummi auf, dann wieder fuhr sie mit den Lippen über die weißen Zähne. »212« hieß diese Single. 212 — das ist die Vorwahl von Harlem. Dort ist Banks aufgewachsen, in einem Brownstone-Reihenhaus, mit zwei Geschwistern und einer Mutter, die auf alle drei schon mal mit einem Baseballschläger losging, nur um sich anschließend mit Plüschtieren und Klamotten die Gunst ihrer Kinder zu erkaufen. Auf »212« blickt sie über einem leicht verzerrtem HipHouse-Beat zurück auf ihre alte Heimat, den (Wu-Tang Zitat!) »Two-One-Zoo«. In der einen Hand die Kleinkaliberwaffe, mit der sie einen Typen aus Manhattan nervös macht, nur um ihn am Ende doch im Bett haben zu wollen. Denn falsche Zurückhaltung ist kein Bestandteil des Images von Azealia Banks. In jedem Interview redet sie über ihre »Daddy-Issues«, Ex-Freunde und -freundinnen, und überhaupt bedurfte es erst »212«, um die Reimqualitäten des C-Wort so richtig hörbar zu machen.

 

Banks schlägt die Brücke zwischen dem Teil von HipHop, der sich gern als »real« begreift und dem Teil, für den die Performance-Qualitäten des Genres keine Geheimwissenschaft, sondern eine Spielwiese sind. Im Sommer 2012 trat sie nachmittags vor einer Menge Baggy-Pants- und Rucksackträger auf dem Festival des HipHop-Radiosenders Hot 97 auf, später abends beehrte sie dann einen »Mermaid Ball«, der an die Hochzeiten der Drag-Queen-Balls Ende der 80er Jahre, Anfang der 90er erinnerte, mit ihrer Performance. Zusammen mit anderen bi- und homosexuellen Rapper wie Zebra Katz oder Le1f hat -Azealia Banks dem HipHop das Vogueing beigebracht. Nur die »-Sisterhood« ist ihre Sache nicht. Letztes Jahr beschimpfte sie Gossip-Schleuder Perez Hilton als -»faggot«, Beschwerden von schwul---lesbischen Bürgerrechtsgruppen folgten,  Banks tat sie als »fucking complete bullshit« ab. Und als »Harlem Shake«-Producer Baauer eine Version seines Tracks, auf dem Azealia Banks rappte, von Sound-cloud entfernen ließ, wünschte sie ihm den Tod durch »faggotry«. Auf dem Wiener Life Ball, einem Benefiz für die AIDS-Hilfe ist sie diesen Sommer trotzdem aufgetreten.

 

Banks’ Unberechenbarkeit ist ihr größtes Kapital. Das gilt nicht nur für ihre Persona als Hipster-Celebrity, sondern auch für ihre Musik. Denn wo »212« und das folgende Mixtape »Fantasea« noch die Meerjungfrau Azealia Banks mit einer Wortschlagzahl im oberen Dutzendbereich pro Minute präsentierten, kultiviert sie mittlerweile das Image als selbstbewusstes Lästermaul, ohne den Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Auf ihrem Tumblr inszeniert sie sich mal halbnackt mit Smiley-Aufklebern auf den Brustwarzen, mal als Leserin von Bürgerrechtsschriften, mal als Nonne. Im Video zu ihrer letzten Single »ATM Jam« fährt die Kamera über makellose, knapp bekleidete Körper in neonfarbener Kleidung.

 

Nur die Reime haben verloren —
an Witz, an Tempo, an Doppelbödigkeit. Im Moment funktioniert Azealia Banks noch wie ein Startup vor dem Börsengang. Sobald ihr Debüt erscheint, wissen wir, ob sich die Gewinnerwartungen erfüllen. Oder platzt die Banks-Blase wie der Kaugummi im Video zu »212«?