Der Mittelfinger reicht bis zum Himmel

Kirmes spielen Punkrock mit deutschen Texten, aber keinen Deutschpunk

 

Formal ist das hier Punkrock: Ein Album mit acht kurzen Songs, die sich spröde ins Ohr kratzen. Kaum Effekte oder Overdubs. Jede Menge Wut im Bauch, der in Form von knüppeligen musikalischen Eruptionen Luft verschafft wird.

 

Mit der Kategorie Deutschpunk fühlt sich das Kölner Trio Kirmes dann aber doch nicht so wohl. »Das ist ein schwieriger Begriff, weil damit beliebig umgegangen wird«, erklärt Schlagzeuger Jens. »Mir ist auch egal, in welche Kategorie welche Band gesteckt wird. Daneben ist es nur, wenn man aus Punkrock und DIY ein Image macht.«

 

Wie Punks sehen Jens, Bassist Georg und Sänger/Gitarrist Christian wirklich nicht aus. Mit ihren Vollbärten könnten sie auch ein prima Indie-Folk-Trio abgeben. Und doch fahren sie eine stringente Linie. Georg dröselt die Einflüsse auf: »Ich komme aus dem Noiserock, Christian aus dem Punkrock, Jens ist eher durch SST-Bands aus den 80er Jahren und später schwerpunktmäßig durch Hardcore--punk und dessen Folgeströmungen geprägt.« Das kann man alles heraushören, dabei überzeugt der Sound von Kirmes aber vor allem durch seine Selbstverständlichkeit. Strategische Über-legungen spielen offensichtlich keine Rolle. Was Christian unterstreicht: »Wir machen diese Musik schon seit mehreren Jahren und haben zuvor schon in entsprechenden Bands gespielt. Auch wenn es zurzeit chic ist, auf Deutsch zu singen, ist es für uns nie ein Thema gewesen, Texte in einer anderen Sprache zu schreiben. Könnten wir auch gar nicht.«

 

Ähnlich wie die Musik transportieren die von Christian im räudigen Sprechgesang skandierten Texte ein Gefühl zwischen Wut und Melancholie. Dabei springen immer wieder Slogans raus, die man sich gut und gerne aufs T-Shirt drucken möchte: »Wir werfen den Mist von gestern raus und tauschen ihn gegen neuen aus.« Oder: »Das ist ein Mittelfinger, der bis zum Himmel reicht.« Im ordentlich an die Nieren gehenden »Scheitenhaufen« ist eine große Schippe Frust im Spiel: »Dein Versteck war nicht mal gut, doch gefunden hat dich keiner, denn keiner hat dich gesucht.« Das darf man guten Gewissens Emo-Rock nennen, weil das Gefühl ganz nackt dasteht und nicht durch Effekthascherei ins Rampenlicht getrieben werden will.

 

Das ist am Ende des Tages
der große Unterschied zwischen Kirmes und Chart-kompatiblen Deutschpunkern wie Turbostaat: Die Kölner bemühen sich nicht um eine an Mainstream-Rock ge-schul-te produktionstechnische Ansprache, sondern bleiben in ihrem mode-rigen Probekeller. Die Tür steht offen, herein finden muss man aber auf eigene Faust.