Plötzlich diese Übersicht

My Personal Title: Kunstkritikerin Astrid Wege über den Neustart des Museum Ludwig

»Not Yet Titled« lenkt die Aufmerksamkeit auf ein Kippmoment, das jedem Museum inhärent ist: Als Ort, an dem Werke unterschiedlicher Epochen bewahrt und entlang verschiedener Fluchtlinien der Kunstgeschichte ausgerichtet werden, wohnt ihm zugleich ein Moment des Vorläufigen inne. Je nachdem, was gezeigt wird, ergeben sich unterschiedliche Lesarten der Kunst. 

 

Tatsächlich wirkt das Museum Ludwig in der Neupräsentation auf spannende Weise »aufgeräumt«. Wo vormals die Popkunst war, die nun im Obergeschoss eine neue Bühne bekommt, begegnet man Werken aus dem Umfeld von Konzeptkunst, Land Art und Minimal, die lange im Depot verschwunden waren. Ergänzt durch zeitgenössische Werke und klug gesetzte Neuerwerbungen wird Vorhandenes vertieft, erweitert oder auch korrigiert. 

 

So revidiert Michael Heizers »Actual Size (Elsinore)« (1970), ein Spiel mit Größenmaßstäben und den scheinbar unvereinbaren Raumordnungen von Museum und Landschaft, die etwas dekorative Anmutung einer Bodenskulptur aus dem Bestand. Hans Haackes »Condensation Wall« von 1963/66 – noch vor seinen bekannteren »Cubes« konzipiert und in anregender Nachbarschaft zu einem Konvolut Charlotte Posenenskes platziert – ist ein Schlüsselwerk für eine Kunst, die Systeme und Prozesse in den Mittelpunk stellt. Als eine Vorwegnahme seiner institutionskritischen Auseinandersetzung findet dieser Ansatz in Christian Philipp Müllers Installation »Köln-Düsseldorf« (1990) eine Aktualisierung, während die serielle Typologie von Candida Höfers »Türken in Deutschland« (1974–1979) das Verhältnis der Fotografierten zu ihrer alltäglichen Umgebung erkundet. 

 

Die »aufgeräumte« Sammlungspräsentation mit der umfassenden Einzelausstellung der großen Louise Lawler zu verknüpfen, ist mehr als ein geschickter Schachzug. Schließlich stehen die Grammatiken der Aneignung und Verwertung im Mittelpunkt ihres Werks, das dabei von bemerkenswerter visueller Opulenz ist. Auch hier geht es um Formen der Rezeption und um Momente des Übergangs: Je nach Situation und Perspektive verändern sich Bezüge, Funktionen und Bedeutungen und werden Kunstwerke zum Kristallisations- und Ausgangspunkt ganz unterschiedlicher Erzählungen.