Stranger Than Fiction

Das Ziel ist ehrgeizig: Es geht um nicht weniger als die Re-Christianisierung Deutschlands. Früher hätten die europäischen Missionare Afrika bekehrt, erklärt Pastor Edmund Sackey-Brown, jetzt sei es eben umgekehrt. Der gelernte Ingenieur stammt aus Ghana, er lebt im Ruhrgebiet. Einen leer stehenden Supermarkt im Zentrum von Mülheim an der Ruhr hat er erworben, um ihn mit Hilfe der meist schwarzen Mitglieder seiner Lighthouse-Gemeinde in einen evangelikalen Tempel zu verwandeln. Sein Traum ist es, eine Mega-Church nach amerikanischem Vorbild zu errichten, die 5000 Menschen fassen würde.

 

Mit dem Dokumentarfilm »More Jesus« gelingt es Hendrik Lietmann und Matthias Tränkle, die Faszination der Gospel-Gottesdienste einzufangen und zugleich jedem säkular Gesinnten Angst vor der Dynamik dieses fundamentalistischen Glaubens zu machen. Denn darum geht es hier, wie einer der deutschstämmigen Anhänger Sackey-Browns offen erklärt: liberales Christentum sei eine »Landplage« oder noch deutlicher »Theologie aus der Hölle«.

 

Der Film der Kölner Produktionsfirma Hupe Film ist ein Höhepunkt des 16. Dokumentarfilm-Festivals »Stranger Than Fiction«, das etwas mehr als ein Dutzend aktueller nicht-fiktionaler Produktionen vorstellt. Von Hupe Film stammt ein weiterer Film, der besonders für Kölner interessant sein dürfte — und ein Gegenstück zu »More Jesus« bildet. In »Der große Demokrator« dokumentiert der Kölner Regisseur Rami Hamze seinen Versuch, etwas für Kalk zu tun. Hamze hat 10.000 Euro gesammelt, die allen Bürgern des Stadtteils zugute kommen sollen. Sie selbst können entscheiden, wofür das Geld ausgegeben werden soll. Natürlich läuft das Projekt nicht so, wie sich Hamze das mit leicht gespielter Naivität vorgestellt hat — sonst würde seinem Film auch der dramatische Bogen fehlen. Vor allem die Kalker Migranten wollen sich nicht recht für die Teilhabe am Gemeinwesen begeistern lassen. Basisdemokratie ist kein Selbstläufer, das hätte man schon vorher wissen können. Da hat es Sackey-Brown mit seiner christlichen Mobilisierung in Mülheim an der Ruhr einfacher.