Solomon Chained

Historiendrama: »12 Years a Slave« von Steve McQueen

Es ist fast 150 Jahre her, dass in den USA die Sklaverei nach einem hunderttausende Opfer fordernden Bürgerkrieg abgeschafft wurde. Aber immer noch gehört das Thema zu den verdrängten Kapiteln der US-Geschichte. Das gilt auch für das amerikanische Kino, das sich nur sporadisch und dann an seinen Rändern damit auseinandergesetzt hat. Mit »12 Years a Slave« legt der britische Regisseurs Steve McQueen (»Shame«) nun einen Film vor, der der Sklaverei direkt und kompromisslos zeigt.

 

Erzählt wird die wahre Ge­­schichte des Afroamerikaners Solomon Northup (Chiwetel Ejiofor), der im Staat New York bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr als freier Mann gelebt hat. Der Violinist ist Mitte des 19. Jahrhunderts ein angesehener Bürger der mittelständischen Gesellschaft. Als seine Frau und die Kinder für ein paar Wochen verreisen, lässt er sich auf ein Angebot zweier undurchsichtiger Männer für ein Engagement in Washington D.C. ein. Nach einer feuchtfröhlichen Feier wacht er am Morgen angekettet in einem finsteren Verließ auf und wird als Sklave nach New Orleans verschleppt.

 

Mit unnachgiebiger Härte inszeniert McQueen diesen freien Fall von der glücklichen bürger­lichen Existenz hin zu einem Dasein, in dem die elementarsten Menschenrechte mit Füßen ge­treten werden. Solomon landet schließlich bei dem berüchtigten Plantagenbesitzer Edwin Epps (Michael Fassbender), der die Sklaven gnadenlos ausbeutet und misshandelt. An der Figur des trunksüchtigen Despoten wird nicht nur die Willkür, sondern auch die perfide Systematik deutlich, mit der hier die Menschenwürde und das Selbstwertgefühl gebrochen werden, um ein Heer von willenlosen Arbeitern heranzuziehen.

 

McQueen zeigt die unfassbare Gewalt aus nächster Nähe und verliert trotzdem nicht den scharfen, analytischen Blick, mit dem er auf die vollkommene Pervertierung moralischer Werte für das perfektionierte Prinzip kapitalistischer Ausbeutung verweist. Noch nie wurde in einer Renommierproduktion die Bigotterie der Plantagenbesitzer so offen ins Visier genommen, die von ihrer schmucken Veranda aus direkt auf das Elend der Menschen blickten, auf deren Ausbeutung sich ihr Reichtum gründete. Das gentlemen’s agreement, mit dem das amerikanische Mainstream-Kino das heikle Sujet umschiffte, hat Tarantino schon mit »Django Unchained« aufgekündigt. McQueen geht in »12 Years a Slave« noch einen Schritt weiter, indem er das Thema in Form eines klassischen Dramas herzzerreißend, aber ohne falsche Sentimentalitäten angeht und eine neue Debatte über die verdrängte Historie einfordert.