Alternative Heimat

Indiekino: »I Used to Be Darker« von Matt Porterfield

Die junge Nordirin Taryn sollte eigentlich den Sommer in Wales verbringen, stattdessen driftet sie über den Atlantik, landet zunächst in Ocean City, Maryland, dann in Baltimore. Dort möchte sie sich bei der Familie ihrer Tante einquartieren, die bricht allerdings gerade auseinander. Taryn ist aber nun einmal da, mit ihren wenigen Habseligkeiten, und mit ihrer Verschlossenheit, die nicht unbedingt dazu geeignet ist, die Konflikte um sie herum zu besänftigen.

 

Schon allein Taryns bezaubernder nordirischer Akzent bewahrt »I Used to Be Darker« davor, zu dem konventionellen Coming-of-Age-Drama zu werden, das in der Figurenkonstellation ein wenig angelegt ist. Dass »I Used to Be Darker« wenig zu tun hat mit jenen brav durchpsychologisierten Teenie-Dramen, die das amerikanische Independentkino fast wie am Fließband zu produzieren versteht, liegt auch am Sound des Films. Der junge Regisseur Matt Porterfield besetzt viele wichtige Rollen mit Indie-Musikern (unter anderem: Kim Taylor und Ned Oldham, Bruder von Will Oldham aka Bonnie Prince Billy); und es gibt gleich mehrere Szenen, die völlig in der Musik aufgehen, die sich von der Fiktion lösen und Performances ganzer Songs beobachten. Schon in einer frühen Szene wird die sonst meist äußerst geduldige und unaufdringliche Kamera während des Konzerts einer Hardcore-Band autonom, schwebt grazil durch den von brachialen Riffs durchdröhnten Raum.

 

»I Used to Be Darker« ist Matt Porterfields dritter Langfilm und wie die beiden Vorgänger (»Hamilton«, »Putty Hill«) ein schönes Beispiel für die neuen regionalen Kinokulturen, die derzeit in ganz verschiedenen Gegenden der USA entstehen. Porterfield finanziert seine (niedrig budgetierten) Filme zu weiten Teilen über Crowdfunding und dreht fast ausschließlich in seiner Heimatstadt Baltimore — das in diesen Filmen freilich eine ganz andere Stadt ist als zum Beispiel das Ghetto-Baltimore aus der HBO-Serie »The Wire«.

 

Auf Heimeligkeit und Lokalkolorit spekuliert Porterfield gerade nicht: Es geht bei ihm immer um Menschen, die sich in ihrem Leben im Großen und Ganzen unwohl zu fühlen scheinen, die sich auch deswegen auf die Suche machen nach alternativen Heimaten, zum Beispiel in Subkulturen. Sie können höchstens auf kleine Momente des Glücks hoffen — wie zum Beispiel in dem Moment in »I Used to Be Darker«, in dem sich Taryns Cousine voll bekleidet und mit einem Lächeln auf den Lippen in den Pool hinter dem Haus ihres Vaters fallen lässt.