Ja, Panik

Im Deutschpop-Zirkus genießen Ja, Panik als erfolgreiche neue Vertreter einer exaltierten, sperrigen und intelligenten Gangart derzeit Sonderstellung. Deutschsprachige Popmusik hat sich auf dem Markt zwar vollkommen etabliert — jedoch nur die seichte, schlagerhafte Variante mit Protagonisten wie Tim Bendzko, Revolverheld oder Kettcar — ein Diskursrock-Flagschiff wie Tocotronic einmal ausgenommen.

 

Ja, Panik hingegen werfen sich bewusst in Künstlerpose und wollen mehr. Die Band geht mit ihrer Kopflastigkeit hausieren und flankiert ihre ohnehin schon sehr wortgewaltigen Alben mit staatstragenden Manifesten: »LIBERTATIA ist eine neue Politik jenseits der erfundenen Gemeinschaften«, heißt es in der neusten Ansage zum Beispiel. Oder: »LIBERTATIA ist der Look of Love wenn die Nacht am tiefsten.« Mangelndes Selbst- und Sendungsbewusstsein lässt sich den von Berlin aus operierenden Österreichern jedenfalls nicht unterstellen.
Hinzu kommt, dass die Band es tatsächlich wagt, sich von Album zu Album auch musikalisch ein Stück weit neu zu erfinden. Mit den drei ersten Longplayern kultivierten sie einen vertrackten Rumpelrock, der auf dem vierten von eher hypnotisch fließenden Songstrukturen abgelöst wurde. Mit »Libertatia« wird aus Rock nun erstmals Pop. Von Bob Dylan und Velvet Underground geht es in Richtung Style Council und The Smiths. Soll heißen: Es wurde nicht länger die Unmittelbarkeit des Zusammenspiels im Proberaum eingefangen, sondern nach allen Regeln der Kunst produziert. Das Ergebnis klingt weich, verhallt, groovig und vielschichtig. Obwohl der ursprüngliche Keyboarder inzwischen ausgestiegen ist, hat sich das synthetische Element schlagartig vergrößert. Oftmals verstecken sich die in der Rezeption der Band sonst so zentralen Texte sogar ein wenig im Sound.

 

Vielen Schlaumeierbands (zumal deutschsprachigen) mangelt es am musikalischen Fun-Faktor. Ein Schuh, den sich Ja, Panik noch nie haben anziehen müssen. Wo früher dem Mindfuck mit ungestümer Rock-Hybris der Garaus gemacht wurde, dominiert heuer ein Blue-eyed-Soul-Gefühl, das weniger die Panik, als die Utopie einer besseren Welt heraufbeschwört. Auch in ihrer neuen Inkarnation bleiben Ja, Panik das aufregendste Ereignis, das der deutsche Indiepop derzeit zu bieten hat.