Auf die Suche gehen

ON-Geschäftsführer Daniel Mennicken im Gespräch

über das Festival 5 Rooms for a Week

So kann Zwischennutzung funktionieren: Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) überlässt der »New Talents Biennale« ein leerstehenden Bürogebäude an der Agrippastraße. Und schon wird daraus »t.a.t. new talents — temporary art tower«. Noch bevor die Biennale im Mai dort junge Künstler und Kreative präsentieren wird, lädt sie den Verein »ON Neue Musik« ein, ab 14. Februar das Erdgeschoss zu beleben: fünf Räume, darunter ein Saal,  für eine Woche. Die Bürobelegschaft von ON zieht für diese Zeit gleich mit ein. So wird es Informationen und Hörproben Neuer Musik geben, einen Workshop, die Aufführung einer Komposition um Texte der österreichischen  Schriftstellerin Sophie Reyer, dazu öffentliche Proben und Konzerte von e[k]lektrik, Blemishes, The Thing mit Saxofonist Mats Gustafsson, Männer mit Motoren und dem Simon-Rummel-Ensemble. StadtRevue hat mit ON-Geschäftsführer Daniel Mennicken gesprochen.

 

Herr Mennicken, was verstehen Sie eigentlich unter »Neuer Musik«? Zeitgenössische Musik? Avantgarde? Es geht um Vielfalt und Individualität, und um einen experimentellen Ansatz. Das ist gar nicht so weit entfernt von einzelnen Strömungen des Postrock oder Elektronischer Musik. In unserer Festival-Woche geht es um diese Schnittstelle: Neue Musik plus X. Also Clubkultur, Jazz und Improvisation, Literatur, bildende Kunst, Videokunst. Zumindest schlaglichtartig wollen wir beleuchten, was gemeint ist, wenn man von der jungen, experimentiellen Musikszene spricht.

 

Selbst versierte Musiker empfinden grenzgängerische Musik als schwere Kost. Worin liegt denn Freude dieser Musik? Auch ich komme aus dem Mainstream, wurde von meinen Eltern nicht an Neue Musik oder dergleichen herangeführt und wurde während meiner Jugend mit Charts-Musik sozialisiert. Doch auf Dauer hat mich der Mainstream nicht glücklich gemacht, weil er irgendwann vorhersehbar wird und nur noch an einem vorbeiplätschert. Wenn man vorher schon weiß, wie ein Stück weitergeht, ist es nicht mehr in der Lage, wirkliche Emotionen auszulösen. Man konsumiert es nur noch. Wenn einem das nicht reicht, ist man gezwungen, auf die Suche zu gehen. Und ich glaube, das ist ein Problem, das viele Menschen mit der Neuen Musik haben: Sie müssen auf die Suche gehen nach dem, was ihnen gefällt. Es gibt so viele Spielarten, vom rein akademischen Ensemble-Konzert bis hin zur Geräuschmusik.
Ist es diese Anstrengung, die Menschen von schwieriger Musik abhält?  Sich bemühen zu müssen beim Suchen und beim Zuhören? Ich glaube, dass genau das den Reiz und die Schwierigkeit ausmacht. Für mich ist es der absolute Reiz, auf die Suche zu gehen und mich überraschen zu lassen von Klängen, Herangehensweisen oder Konzepten, die mir noch nicht begegnet sind. Auch ich gehe aus einem Konzert raus und fand’s langweilig oder es hat mir nicht gefallen — aber das gibt es ja in jeder Musik. Aber ich habe für mich entdeckt, dass nur in experimentiellen Formaten, die an Grenzen gehen — die sich auch trauen, zu scheitern und deren Konzept es ist, versagen zu dürfen — große Kunst entstehen kann.

 

Ein Appell an den Mut und den Entdeckergeist. Ja, es geht um Musik, die man nicht einfach konsumiert. Es geht bei experimentieller Musik darum, seine Hörgewohnheiten zu prüfen und auch mal abzulegen, um sich auf etwas Neues einzulassen, Klischees zu überwinden und seine eigene Entwicklung zuzulassen. Man ist der Musik ausgeliefert, solange sie klingt — das ist anstrengend, denn diese Musik erschließt sicht nicht zwangsläufig beim ersten Hören. Und doch lässt sie Klang und Formen neu erleben und Musik neu entdecken.