Jetzt ham wir den Salat

Der Salat nimmt überhand, wir können ihm nicht entkommen, denn er entspricht den beiden Formen moderner Ernährung: der Fragmentierung in snacks und der Mobilisierung hin zu hastigen Mahlzeiten to go.

 

Seit ewigen Zeiten und stets aufs Neue als karg-korrekte Kost von  zivilisationskritischen Sektierern propagiert, ist der Salat auf Umwegen in die bürgerliche Küche gelangt – als der Zeitgeist unverfälschte, vitaminreiche Ernährung diktierte, gipfelnd im Trimm-Dich- und Fitness-Trend der späten 70er und 80er Jahre. So war der Salat vor allem immer schon: Funktionskost. Ein freudloses Helferlein, um auf jene »schlanke Linie« einzuschwenken, die schnurstracks zur Genügsamkeit und Genussvergessenheit führt.

 

Die Salat-Historie kennt freilich ebenso Rezepturen, die sättigend sind wie sonst nur ein deftiger Fleischgang. Doch verweisen Salade Niçoise ebenso wie steirischer Wurstsalat nur mit dem Namen auf die Idee des Salats. Als Gericht ist der Salat ohnehin ein Kuriosum: Salat ist selbst ohne Salatblätter noch Salat. In der jüngsten Entwicklung verliert der Salat zunehmend die Blätter. Sieht man von Rucola ab, einem holzigen Gestrüpp, das als Ausweis feiner mediterraner Küche gelten soll, so scheinen grüne Salate ein Auslaufmodell zu sein. Wo gäbe es noch einen schlichten, guten Kopfsalat mit Öl und Essig zu essen? Stattdessen herrscht heute das vor, was in der Idee des Salats als dessen Scheitern schon angelegt ist: Die Vermengung beliebiger Zutaten. Je mehr, desto besser. Trauriger Höhepunkt sind jene plumpen Pampen, wie sie die mit Mayonnaisen verkleisterten Rohkostmischungen darstellen. Es ist ungerecht, dass etwa der Ruf des Eisbergsalats so fürchterlich ramponiert ist, während die Beigabe von geschmacksneutralem Mozzarella oder Feta als Aufwertung angesehen wird.
Bezeichnend ist, dass Salate bis heute nur selten kulinarisch betrachtet werden. Dies spiegeln jene Phrasen wider, mit denen wir über Salat reden: knackig, frisch, ja sogar bunt soll er am besten sein. Wonach das Mischmasch schmeckt, ist anscheinend nachrangig, solange wir glauben können, gesund satt zu werden.