Ein Mann mit Fehlern

Vom Freiheitskämpfer zur Ikone: Regisseur Justin Chadwick über sein Biopic »Mandela: Der lange Weg zur Freiheit«, den Dreh in den Townships und eine Liebe ohne Happy End

Herr Chadwick, wie haben Sie sich Nelson Mandela als Symbolfigur des Widerstandes gegen das südafrikanische Apartheidsregime angenähert? Ich bin in Manchester aufgewachsen und war mir sehr wohl bewusst, dass ich als Außenstehender erst einmal zuhören und beobachten musste. Deshalb bin ich zunächst für ein Jahr nach Südafrika gezogen, um auf den Spuren Mandelas durch das Land zu reisen. Ich sprach mit vielen Menschen, die auf verschiedenen Seiten gekämpft haben. Je tiefer ich in die Recherche einstieg, umso klarer wurde mir, dass ich Mandela nicht als Heiligen zeigen wollte, sondern als einen Mann aus Fleisch und Blut, der auch einmal Fehler macht. In jungen Jahren war er jemand, der die Frauen liebte, der gern gute Anzüge trug, der als Anwalt große Ambitionen hatte. Vieles davon musste er im Kampf für seine politischen Ziele aufgegeben.

 

Woher hat Mandela seine Kraft und Integrität bezogen? Seine kulturelle Herkunft spielt eine große Rolle. Er gehörte in seinem Stamm zu einer Linie, die als Könige vorgesehenen waren. Auf diese Aufgabe wurde Mandela schon als Kind und Jugendlicher vorbereitet. Wenn man mit Leuten spricht, die ihn als jungen Mann kannten, sagen alle, dass er damals wie ein Star war. Wenn er den Raum oder auch die Bühne eines Stadions betrat, konnte man seine Energie spüren.

 

»Mandela« ist nicht nur ein Biopic, sondern in seinem Herzen auch eine Liebesgeschichte, der letztlich kein Happy End vergönnt ist. Was hat Nelson und Winnie Mandela durch die lange Haftzeit hindurch verbunden, und warum ist die Beziehung zerbrochen? Beide waren sich bewusst, dass ihr Schicksal untrennbar mit ihrem Land und den Menschen in Südafrika verbunden ist. Sie haben fest daran geglaubt, dass sie eines Tages frei sein werden. Winnie und Nelson Mandela waren ein kraftvolles Paar, dem unter anderen Umständen die ganze Welt offen gestanden hätte. Aber Nelson wurde verhaftet und war für 27 Jahre wie auf Eis gelegt. Trotzdem hat es Winnie Mandela geschafft, den Namen ihres Mannes über fast drei Jahrzehnte hinweg lebendig zu halten. Aber während Nelson Mandela und die anderen gefangenen ANC-Führer sich gegenseitig in der Abgeschiedenheit des Gefängnisses bestärkten, lebten und litten die Frauen mitten in diesem bösartigen, rassistischen System der Apartheid. Diese Erfahrungen haben Winnie Mandela nachhaltig verändert. Es waren die Frauen der ANC-Führer, die in diesem Kampf am meisten durchgemacht haben.

 

Viele biografische Filme konzen­trieren sich auf einen Lebensausschnitt. Warum haben Sie sich für das Format eines Epos entschieden? Der Film beruht ja auf Mandelas Autobiografie, und es war klar, dass wir sein Leben von der Kindheit bis ins hohe Alter abdecken mussten. »Mandela« wurde unabhängig mit afrikanischem Geld produziert, und ich habe mich bewusst für das große, epische Format entschieden, damit sich der Film in den Multiplexen gegen die großen, teuren Blockbuster-Produktionen aus Hollywood durchsetzen kann.

 

Sie haben an den historischen Orten in Südafrika gedreht. Welchen Einfluss hatte dieses Setting auf die filmische Arbeit? Obwohl wir gewarnt wurden, dass es nicht ungefährlich sei, in den Townships zu drehen, war es für uns wichtig, bestimmte Szenen genau an den Orten zu inszenieren, an denen die historischen Ereignisse stattfanden. Gerade die Massenszenen wirken real, weil viele der Mitwirkenden damals dabei waren. Auch wenn an manchen Tagen ein Auto mehr in Flammen aufging, als es im Skript stand, hat das Drehen in den Townships auf uns einen produktiven Druck ausgeübt. Ihr Film verweist auch auf die internationalen Kampagnen für die Befreiung Nelson Mandelas …

 

Das ist ein Aspekt, auf den mich die ehemaligen ANC-Gefangenen immer wieder hingewiesen haben: Es war die Aufmerksamkeit der Welt, die das Apartheidsregime unter Druck gesetzt und dadurch auch die Veränderung in Südafrika ermöglicht hat. Die »Free Nelson Mandela!«-Bewegung war eine der ersten international koordinierten Kampagnen, lange bevor es Twitter oder Facebook gab. Es ist mir wichtig zu zeigen, dass man Politik auch von außen beeinflussen kann.