Hungern für die Oscars

Aids-Drama: Dallas Buyers Club

von Jean-Marc Vallée

Nach Steven Soderberghs »Liberace« gleich noch ein Film, der sich dem schwulen Leben der 1980er-Jahre und — diesmal deutlich im Zentrum — dem Aufkommen von Aids nähert. Wobei man die Perspektive, die für »Dallas Buyers Club« gewählt wurde, durchaus verdächtig finden darf: Die Hauptfigur Ron Woodroof (Matthew McConaughey), ein promisker texanischer Elektriker und Rodeo-Reiter, ist fast schon grotesk heterosexuell, lebt die Homophobie seiner Umgebung ungebrochen mit und glaubt deshalb erst einmal an ein Versehen, als bei ihm das Virus nachgewiesen wird. Dass der Film bemüht ist, auf der sicheren Seite zu bleiben, verdeutlicht die Szene, die auf die Schreckensnachricht folgt: Woodroof betäubt zwar seine Verunsicherung mit einem weiteren Drogenexzess, auf die reichlich vorhandenen sexuellen Angebote geht er aber nicht ein; schließlich würde ihn das als -Identifikationsfigur moralisch -desavouieren.

 

Ignorant bleibt der Mann sowieso nicht lange: In Windeseile beginnt Woodroof damit, sich aufzuklären, einen wütenden Kampf gegen geldgierige Pharmakonzerne für eine menschenwürdigere Behandlung zu führen und den titelgebenden »Dallas Buyers Club« zu gründen, der Patienten mit noch nicht zugelassenen Präparaten versorgt. Und schließlich freundet sich Wood-roof sogar mit dem schwulen und psychisch labilen Aids-Kranken Rayon (Jared Leto) an. Was folgt, ist über weite Strecken eine individuelle Erfolgsgeschichte, der die Leichen am Wegesrand nur selten in die Quere kommen. Kurz gesagt: Der Film sorgt dafür, dass sein Publikum sich nicht allzu intensiv mit schwulen Lebenswelten auseinandersetzen muss. Und auch mit dem Sterben wird der Zuschauer nur in der Weise konfrontiert, wie es dem gängigen Hollywood-Qualitätskino entspricht: Gleich zwei Stars haben sich für Jean-Marc Vallées Film fotogen heruntergehungert. McConaughey darf für seinen mit vollem Körpereinsatz vorgetragenen Hypervitalismus mindestens auf eine Oscar-Nominierung spekulieren. Dem weitaus kaputter anmutenden Leto — der nach einigen Jahren Pause zum Kino zurückkehrt — gelingt es schon eher, die in seiner Rolle angelegten Stereotype vergessen zu machen.