Im Puppenhaus der Geschichte

Osteuropa-Fantasie: Grand Budapest

Hotel von Wes Anderson

Die Filme von Wes Anderson neigen stets zum Puppenhaushaftem: Sie zeigen eine eingerichtete Welt. Alles hat seinen Platz und seinen Gebrauch. Alles ruht in einer Balance zwischen Funktionalität und ästhetischer Eleganz. Alles ist überschaubar und sortiert. Betten etwa bieten den Menschen darin nur selten mehr Raum, als sie benötigen. So gesehen verspricht »Grand Budapest Hotel« schon im Titel den ultimativen Anderson-Film: hier der Ruch des Ostblocks mit seiner ganz eigenen Ästhetik, dort das vollendet kokonierte Wohnen. Und nicht zuletzt bietet die Infrastruktur hinter den Hotelkulissen Andersons Freude an zielgerichteten Bewegungsabläufen einen ganzen Strauß an Möglichkeiten.

 

Anderson hat sich für seinen neuen Film einen ganzen Staat ausgedacht: Zubrowka, ein Amalgam aus mittel- und osteuropäischen Ländern und Kulturen am Vorabend eines dem Zweiten Weltkrieg vergleichbaren Großereignisses. Im Kern erzählt Anderson, wie das Grand Budapest Hotel, heute ruinöses Sinnbild einer einst glorreichen Epoche, seinerzeit in den Besitz des braven Pagen Zéro Moustafa geriet. Die höchst turbulent erzählte Story ist mehrfach gerahmt: In der Gegenwart liest ein Mädchen ein Buch aus den 80er Jahren, in dem sich der Autor daran erinnert, wie ihm Moustafa in den 60ern diese Geschichte anvertraute. Schönes Detail: Jede Epoche hat ihr eigenes Bildformat. Vom weiten Scope verengt sich der Film schließlich in die konzentrierte Beengtheit des klassischen Academy-Formats.

 

Einmal in Gang gesetzt, rattert Wes Andersons alteuropäisches Wunderland-Uhrwerk wie ein Selbstläufer: Es geht um eine große Erbschaft, ein geraubtes Bild, um schreckliche Gefängnisse, aus denen es zu fliehen, und Geliebte, die es zu retten gilt, während die böse ZigZag-Division, eine Allegorie auf die SS, Land und Hotel in Beschlag nimmt. Und nicht zuletzt geht es um den von Ralph Fiennes gespielten Monsieur Gustave, der als Über-Concierge schlechthin an den Gesten und Konventionen einer verwehenden Zeit festhält.

 

Sehr ungewöhnlich für Anderson-Verhältnisse öffnet sich »Grand Budapest Hotel« in Richtung Politik und Geschichte. Ein Hinweis darauf, den Film nicht auf schrulligen Exotismus zu reduzieren. Am Ende ist die Rede von der »Preußischen Grippe«, die später Millionen von Menschen hingerafft habe, doch heute unter Kontrolle sei. Auch eine gerettete Geliebte fällt ihr zum Opfer. Ein melancholischer Hinweis auf Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg, die »Grand Budapest Hotel« zu einem tieftraurigen Film hinter einer witzigen Fassade macht.