Die Lady und der Snob

Tragikomödie: Philomena von Stephen Frears

 

In den 50er Jahren wird die noch minderjährige Philomena schwanger und landet im irischen Kloster Roscrea. Die Schwestern lassen unverheiratete Mütter als eine Art Buße in der Wäscherei schuften, entziehen ihnen die Kinder und vermitteln sie an reiche Ehepaare. Auch Philomenas Sohn Anthony wird gegen ihren Willen fortgegeben. 50 Jahre hütet sie dieses Geheimnis, bis sie sich ihrer Tochter offenbart. Die glaubt, ihre Mutter könnte einen gewieften Journalisten brauchen, um Anthony zu finden und spricht den ehemaligen BBC-Journalisten Martin Sixsmith an. Doch dem abgeklärten Snob ist die Geschichte zu seicht. Erst als ein Magazin die Story bringen will, ändert er seine Meinung und begleitet Philomena nach Roscrea, wo sie auf eine Mauer des Schweigens stoßen. Trotzdem entdecken sie eine Spur, die in die USA führt. Dort stoßen sie auf einen Skandal, der nicht nur die Verbrechen des Klosters offenbart, sondern auch ein unrühmliches Stück amerikanischer Politik beleuchtet.

 

In einer scheinbar endlosen Fahrt folgt die Kamera Philomena und Martin zu Beginn ihrer Reise durch den Flughafen. Ebenso blumig wie ernst schildert die ältere Dame mit dem ondulierten Haar dem hochkarätigen Journalisten die Eskapaden eines gerade verschlungenen Liebesromans. Er ist zu höflich, sie zu stoppen, aber nicht höflich genug, sich ironische Kommentare zu verkneifen, die jedoch nur der Zuschauer versteht.

 

Spätestens jetzt ist klar, dass dies auch ein Beziehungsfilm mit einem skurrilen Paar ist. Bald haben die Hauptdarsteller Judi Dench und Steve Coogan als liebenswerte Streithähne die Zuschauer um den Finger gewickelt. Filmemacher Stephen Frears (»The Queen«) versenkt die schockierende Geschichte weder im Tal der Tränen, noch gibt er die Figuren der Lächerlichkeit preis. Schützenhilfe hat er von Steve Coogan bekommen, der mit Jeff Pope das Drehbuch geschrieben hat. Das brilliert mit Wortwitz, pointierten Dialogen und unerwarteten Wendungen. Als Vorlage diente den Autoren das auf Fakten basierende Buch »The Lost Child of Philomena Lee« des echten Martin Sixsmith. Nicht zuletzt dank ihres Kunstgriffs, den Journalisten im Film zu einer der handelnden Figuren zu machen, wurde aus der Tragödie um den Kindesverlust auch die Geschichte einer Annäherung sehr unterschiedlicher Charaktere und Weltanschauungen. So ist ein Lehrstück über Toleranz und Versöhnung entstanden.