Foto: Manfred Wegener

Hähnchenschenkel mit Zigeunersoße

Ein Ratsbeschluss sieht die Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik vor

Das Flüchtlingsschiff »Transit« im Deutzer Hafen soll weg, spätestens bis September dieses Jahres. So steht es in einem Antrag von Grünen und CDU, den der Rat der Stadt Köln am 17. Juni beschlossen hat. Auch SPD und PDS stimmten für den Antrag, der die Abkehr von der bisherigen Abschreckungspolitik bedeuten soll. Nur die FDP-Fraktion und das Ratmitglied der Republikaner verweigerten dieser Neuausrichtung ihre Unterstützung.
Bereits Anfang Juni hatten die Grünen die Beschlussvorlage der Öffentlichkeit vorgestellt. »Zukünftige Kölner Flüchtlingspolitik« heißt das Papier, das nicht der große Wurf ist, den die Überschrift verspricht, das aber dennoch als deutliche politische Willensbekundung in Richtung einer Verbesserung der verheerenden Zustände gewertet werden muss.

»Das Schiff ist überbelegt.«

Das war zum Aufpolieren des grünen Images, das unter der Koalition mit der CDU stellenweise arg gelitten hat, auch dringend notwendig. Denn obwohl im Koalitionsvertrag von Anfang Februar eine klare Wende in der Flüchtlingspolitik angekündigt wurde, moniert der Kölner Flüchtlingsrat noch Ende April: »Von der versprochenen Neuausrichtung kann bisher überhaupt keine Rede sein. Die Unterbringung von Flüchtlingsfamilien auf dem Containerschiff – früher von der grünen Partei heftig kritisiert – ist nun zur Dauereinrichtung geworden.«
Das Schiff, das als sogenannte »Erstaufnahmeeinrichtung für unerlaubt eingereiste Personen« dient, liegt mit Erscheinen dieser StadtRevue sechseinhalb Monate im Deutzer Hafen. Installiert wurde es am 10. Dezember als Ersatz für das Containerlager in Kalk. Waren die Lebensumstände dort schon menschenunwürdig, sind die Bedingungen auf dem Schiff noch unerträglicher. Abgeschirmt von der Öffentlichkeit sind dort derzeit 190 Menschen, v.a. Roma, untergebracht, davon 77 Kinder, viele leben in Großfamilien mit bis zu zehn Personen. Wer auf das Schiff möchte, braucht eine Sondererlaubnis des Wohnungsamtes, ein privater Sicherheitsdienst bewacht sowohl das Gelände als auch das Schiff.
Am Pfingstmontag besuchten Mitglieder der Kampagne »kein mensch ist illegal« die Transit. Was sie dort sehen, ist Verwahrlosung – aufgrund mangelhafter hygienischer Zustände und beklemmender räumlicher Enge. Die 16 Quadratmeter großen 4-Bett-Kabinen, sind mit drei bis vier Personen belegt, die sanitären Anlagen verschmutzt oder zerstört. Selbst Henry Seiler, Chef des Sicherheitsdienstes auf dem Schiff, der für Verpflegung, Ordnung und Sicherheit zuständig ist, sagt: »Das Schiff ist überbelegt.« Außer einem Erste-Hilfe-Koffer gibt es keinerlei medizinische Versorgung, seit Januar waren weder ein Arzt noch anderes medizinisch ausgebildetes Personal auf dem Schiff. Die Mütter klagen über Hautkrankheiten ihrer Kinder. Hinzu kommt die Sammelverpflegung, die den Bewohnern den letzten Rest Selbstständigkeit entzieht. Das Essen kommt aus der Kantine des Eduardus-Krankenhauses in Köln-Deutz. Am Pfingstmontag werden »Hähnchenschenkel mit Zigeunersoße« (!) fürs Mittagessen aufgewärmt.

Runder Tisch statt Abschreckungspolitik?

Neben der Beendigung dieser Schiffsunterbringung ist die Einrichtung eines »Runden Tisches für Flüchtlingsfragen« für die Grünen der wichtigste Teil des Ratsantrags. Initiiert werden soll dieses beratende Gremium von der Stadtverwaltung noch vor der Sommerpause. Außer den Ratsfraktionen, der Verwaltung, den Kirchen, den Wohlfahrtsverbänden und der Polizei sollen auch freie Träger wie z.B. der Kölner Flüchtlingsrat oder der Rom e.V. beteiligt werden. Der Runde Tisch soll sich vor allem um die »Optimierung der Unterbringungsbedingungen«, der Suche nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten und der »Verbesserung der Akzeptanz dieser Standorte« kümmern. Denn das Thema Flüchtlingspolitik sei »immer Gegenstand für Ressentiments und Vorurteile«, sagte Jörg Frank auf der Pressekonferenz der Grünen. Entsprechend argumentiert auch die Beschlussvorlage: »Eine frühzeitige Einbindung gesellschaftlicher Gruppen und der in der Nachbarschaft betroffenen Menschen ist bei der Suche nach geeigneten Standorten zwecks Erzielung von Einvernehmen und der Förderung von Akzeptanz mit der näheren Wohnumgebung unverzichtbar.«
Unverzichtbar für eine Neuausrichtung der Kölner Flüchtlingspolitik scheint jedoch vor allem ein Umdenken in den Verwaltungsetagen. Von dort kam – zur Erinnerung – im Juli 2000 das interne, mit den Ratsfraktionen nicht abgestimmte »Konzept zum Umgang mit unerlaubt eingereisten Personen«, das die angeblich kostengünstigere Abschreckungspolitik als Leitlinie vorgab. Auch drei Jahre später hat sich daran wenig Grundsätzliches geändert. Eine Stadtverwaltung jedenfalls, die Flüchtlingen mit Missachtung entgegentritt, wie es auf dem Schiff täglich geschieht, leistet den beklagten Ressentiments nicht nur Vorschub. Sie fordert nachgerade zur Respektlosigkeit gegenüber diesen Menschen heraus.