Driften durch Raum und Zeit

Die Bildhauerin Tatiana Trouvé verzaubert

das Bonner Kunstmuseum

Die Skulpturen und Installationen von Tatiana Trouvé sind Geschehnisse im Raum. In den Räumen, in denen sie arbeitet, gelten andere Gesetze als architektonische. Bestaunen kann man ihren bildhauerisch-choreographischen Umgang mit Raum derzeit im Bonner Kunstmuseum. Die Ausstellung ist die erste größere Einzelpräsentation der 1968 in Italien geborenen, streckenweise in Afrika aufgewachsenen Künstlerin, die heute in Paris lebt und arbeitet.

 

Im zentralen Hauptraum ist die Arbeit »350 points towards infinity« installiert. Sie besteht aus hunderten von metallenen Senkloten, die von der Decke bis knapp über dem Boden herabhängen und allesamt wie eingefroren in unterschiedliche Richtungen weisen. Eindeutig schlägt das Pendel hier in Richtung der Anti-Logik aus. Der Künstlerin, die schon auf namhaften Biennalen (u.a. Venedig) oder in großen Museen wie dem Centre Pompidou vertreten war, gelingt es Bildformulierungen zu schaffen, die ein Geschehen chiffrieren, um es in neue, fremdartige Geschehnisse zu verwandeln.

 

Auch in den übrigen Räumen stoßen wir auf Skulpturen, deren Metaphorik den Betrachter zum Assoziieren mythischer Bilder und zur Herstellung vielfältiger kulturgeschichtlicher, literarischer und geistiger Bezüge einlädt. Installationen, in denen Medialität und Materialität in einen, alchimistisch gesprochen, osmotischen Zusammenhang gebracht werden. So tröpfelt in einem Raum aus Kupferrohren eine schwarze Flüssigkeit von der Decke, um in aufgeklappten Bodenöffnungen wieder zu verschwinden. Eine seltsam gelbliche Flüssigkeit, die einem schmuddeligen Matratzenlager zu entstammen scheint, breitet sich in einem weiteren Raum aus. Implizit kommunizieren die Arbeiten sowohl untereinander als auch mit dem Ort.

 

In ihrer Verwendung der Dinge, die mit einer eigentümlichen Belebtheit aufgeladen zu sein scheinen, ist eine Nähe zu den Arbeiten einer Rebecca Horn nicht zu übersehen. Überhaupt wurzelt das Werk in einem Geist, wie ihn etwa die Arte Povera in den 60er und 70er Jahren zelebrierte. Der Titel der Ausstellung »I tempi doppi« — die verdoppelte Zeit — gemahnt an ein Driften zwischen Zeiten, Orten und Erinnerungen. Beharrlich platziert Tatiana Trouvé ihr Werk an der Peripherie einer binären Logik und schafft einen lichten, verlockenden, »dritten« Raum, der wie ein assoziatives Nachbild auftaucht. Stets changierend, doch auf betörende Weise eindrucksvoll.