Foto: Manfred Wegener

Unnötige Operation

Der Rat hat beschlossen, die städtischen Kliniken in eine gemeinnützige GmbH umzuwandeln. Kritiker befürchten eine schleichende Privatisierung

Der Fall ist außerordentlich verzwickt: Ein gesunder Patient – Kölns städtischer Klinikbetrieb in Merheim, Holweide und Riehl – ist auf den Operationstisch bestellt worden. Der behandelnde Arzt legt Diagnose und Therapie schon fest, bevor eine gründliche Anamnese und ein klarer Befund erhoben werden können.
Als neuer und CDU-naher Betriebsleiter der städtischen Kliniken verkündet Wilhelm Hecker auf einer Personalversammlung erst einmal rote Zahlen für den städtischen Eigenbetrieb: Es drohe ein Defizit in diesem Jahr von rund 14 Millionen Euro. Es folgt der nächste Streich: Hecker empfiehlt die Umwandlung der städtischen Eigenbetriebe in eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH). Er beruft sich dabei auf ein Gutachten, das die Kölner Stadtverwaltung im Januar 2002 noch unter der CDU/FDP-Ratsmehrheit in Auftrag gegeben hatte.
Das Ergebnis des Gutachtens von Ernst & Young wird weder die Auftraggeber noch die Opposition wirklich überrascht haben: »Wesentlicher Bestandteil des Gutachtens sind die Aussagen zur Strukturanpassung der Kliniken vor dem Hintergrund der anstehenden Gesundheitsreform, der Einführung der Fallpauschalen«, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt Köln vom 24. April dieses Jahres. Die zentrale Empfehlung des Gutachtens lautet aber: Umwandlung der Rechtsform vom Eigenbetrieb in eine gemeinnützige GmbH und die prinzipiell mögliche Beteiligung Dritter. Am 22. Mai hat der Rat der Stadt Nägel mit Köpfen gemacht: Mit den Stimmen von CDU, Grünen und der FDP ist die Verwaltung beauftragt worden, die Rechtsform der städtischen Kliniken im Sinne der Gutachterempfehlung in eine gGmbH umzuwandeln. SPD und PDS votierten gegen die Vewaltungsvorlage.

»Kölner Kliniken arbeiten wirtschaftlich«

Die Gegner der Privatisierungsbestrebungen, SPD, ver.di und der Personalrat der städtischen Kliniken, gaben bereits am 17. April in einer gemeinsamen Erklärung zu bedenken, dass es keine zwingende Veranlassung gibt, um einen Eingriff in den Rechtskorpus der städtischen Kliniken vorzunehmen. »Die Kölner Kliniken arbeiten seit 15 Jahren wirtschaftlich. Sie verfügen über eine gute finanzielle Substanz. Die medizinischen Leistungen bieten sie auf höchstem Niveau an. Für Zukunftsinvestitionen sind sie gut gerüstet.«. Ein Blick auf den Jahresabschluss 2001 der Klinken der Stadt Köln bestätigt diese Einschätzung: Trotz wachsenden Kostendrucks im Gesundheitswesen haben die städtischen Kliniken ein positives Saldo aufzuweisen.
Warum also die Eile bei der Umwandlung in eine gGmbH? Ist mittelfristig damit zu rechnen, dass nach der gGmbH die eigentliche Privatisierung der städtischen Klinikbetriebe in Angriff genommen wird? Für CDU und FDP ist der Fall klar. Eine Chance zum Weiterbestand der Kliniken im härter umkämpften Gesundheitsmarkt sehen sie nur in einer Privatisierung und einer Beteiligung Dritter, so die offizielle Begründung für das im Rat beschlossene Gutachten zur »Zukunftssicherung der städtischen Kliniken und einer wohnortnahen stationären Versorgung in Köln«.
Als Retter in Not sehen sich die Grünen: »Im schwarz- grünen Koalitionsvertrag haben die Grünen verankert, dass ein Verkauf der Kliniken an Private
ausgeschlossen ist. Damit sollte das Thema ›materielle Privatisierung‹ eigentlich vom Tisch sein.« Ist es das wirklich? Schließlich werden in der bereits zitierten Presseinformation aus der Mai-Ausgabe von Rathaus ratlos, der Zeitschrift der Grünen Ratsfraktion, Informationen lanciert, die sachlich falsch sind. Dort heißt es, die Zukunftssicherung der städtischen Kliniken sei dringend erforderlich, weil »bereits ab 2001 Defizite in Millionenhöhe entstanden sind«. Kommt angesichts dieses Szenarios nicht irgendwann die »materielle Privatisierung«, also die Übernahme des Kapitals durch ein privates gewinnorientiertes Unternehmen? Schließlich sind für 2002 und 2003 noch deutlich schlechtere Zahlen prognostiziert, ohne dass dafür öffentliche Belege vorliegen.

Protest gegen Hau-Ruck-Verfahren

Tatsache ist, dass die Stadt Köln mit einem Haushaltsdefizit von rund 540 Millionen Euro mit dem Rücken zur Wand steht. In einem Klima von Krise und Verunsicherung können vermeintliche Negativbilanzen den Blick auf die Qualität der kommunalen Gesundheitsversorgung leicht verstellen. Aus einem gesunden öffentlichen Krankenhausbetrieb wird unversehens ein Sanierungsfall.
Für die SPD gehört der städtische Eigenbetrieb deshalb auch keineswegs auf den Operationstisch. Christa Becker, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion, sieht die städtischen Kliniken gut aufgestellt für den Wettbewerb und protestiert gegen das »Hau-Ruck-Verfahren«, in welchem CDU und Grüne die Rechtsformänderung durchgeführt haben wollten. Aus ihrer Sicht ist der Eingriff in die kommunale Struktur der Krankenhäuser auch nicht automatisch wirtschaftlicher, »denn im Zuge der Umwandlung fallen allein Grunderwerbssteuern in Höhe von 2,8 Millionen Euro an, die erst einmal erwirtschaftet werden müssen. Aus dem Finanzpolster der Kliniken wird aber ein Betrag von 3,2 Millionen zu zahlen sein, davon erhält der Kämmerer mal gerade schlappe 400.000 Euro, und der Fiskus kassiert den Restbetrag von 2,8 Miollionen Euro.«
Verbleib unter öffentlicher Kontrolle oder Übernahme durch einen privaten Träger – das Schicksal des städtischen Krankenhausbetriebs könnte eines Tages zum Lehrstück dafür werden, wieviel Kredit die kommunale Politik in Zukunft verdient.


INFO
Was ist eine gGmbH?
Eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nicht auf Gewinn geeicht, sie ist eine öffentliche Kapitalgesellschaft, die einen oder mehrere öffentliche Eigentümer hat. Stellen oder Aufträge müssen nicht öffentlich ausgeschrieben werden.
Die Tarife für die Arbeitsverträge dürfen sehr variabel sein, ganze Bereiche können ausgegliedert werden (Outsourcing). Bei einer »materiellen«, also echten Privatisierung entfällt die öffentliche Kontrolle.