Graswurzel 2.0

AnnenMayKantereit sorgen auf Kölner Straßen und bei YouTube für Furore

Was bei MüllerMeierSchmidt gewiss offensichtlicher wäre, erschließt sich bei AnnenMayKantereit (AMK) nicht von allein: Die Typen heißen so mit Nachnamen! Und liefern den besten Beweis dafür, dass man auch mit einem, sagen wir: komplexen  Bandnamen zu einer der hoffnungsvollsten Nachwuchsbands avancieren kann, die unsere Stadt seit langer Zeit hervorgebracht hat.

 

Gitarrist Christoph Annen, Sänger Henning May und Schlagzeuger Severin Kantereit haben sich in Windeseile eine stattliche Fangemeinde erspielt, allein aus eigener Kraft. Graswurzel 2.0 könnte man das Prinzip nennen, nach dem das Trio vorgegangen ist. Am Anfang stand die Straßenmusik: Am Brüsseler Platz, auf der Schildergasse oder auf der Zülpicher Straße – hier haben AMK ihren Stil entwickelt. Einzelne Songs wurden mitgefilmt, auf YouTube gestellt und von vielen mit Begeisterung geteilt. Verständlich, denn die Performances der Band haben eine Strahlkraft, derer man sich kaum entziehen kann. 

 

»Eigentlich sind wir eine One-Man-Band«, erklärt Sänger Henning die Funktionsweise des Trios. Die Aufgaben, die ein klassischer Troubadour alleine bewerkstelligen muss (singen, Gitarre und Mundharmonika spielen, die Rückentrommel treten), verteilt die Band jedoch auf drei Personen und erzielt damit ein Maximum an Energie. Ihr Sound vermischt Blues, Punk und Folk, klingt einerseits wertkonservativ bis zum Abwinken, besitzt andererseits aber genau das Maß Originalität, das nötig ist um herauszuragen.

 

Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die exorbitante Stimme von Henning May. Der schlacksige 22-Jährige sieht aus, wie eben erst den Klauen der Adoleszenz entronnen, singt aber wie Tom Waits, Nick Cave und Rio Reiser in Personalunion. »Es gibt die Vermutung, ich sei schwer alkoholabhängig, dem ist nicht so, ich bin sogar eher als Lappen bekannt«, klärt Henning auf. Das Tolle: Die Stimme findet ihre Entsprechung  in pointierten Songs, die mit schlichten musikalischen und textlichen Mitteln ein Maximum an Gefühl zu vermitteln wissen. Anfangs wurde noch auf Englisch getextet, inzwischen immer mehr auf Deutsch. »Wir haben gemerkt, dass das Deutsche die Leute sehr berührt, seitdem haben wir da viel Spaß dran«, erklärt Severin. Henning ergänzt: »Der Zugang ist leichter, und die Bilder die man entwerfen kann, können viel tiefer sein.«

 

Für den Popdiskurs sind AMK aufgrund ihrer unverklausulierten Nahbarkeit eher untauglich. Macht nichts, denn die 10.000 Facebook-Fans irren in diesem Fall mal nicht. Schon bald könnten AMK  in einem Atemzug mit Ton Steine Scherben und Element Of Crime genannt werden.