Kampfzone Immobilienmarkt

Paul Plamper erzählt in seinem großartigen Hörspiel »Der Kauf« vom Wohnwahnsinn unserer Zeit

Es geht um vier Menschen, eine Wohnung und die zwischenmenschliche Hölle: Das bereits mehrfach ausgezeichnete Hörspiel »Der Kauf« wird auf der Hörbuchgala am 12. März zur Eröffnung der lit.Cologne als »Hörbuch des Jahres« der hr2-Hörbuchbestenliste ausgezeichnet. In Rückblenden erzählt Theatermacher und Regisseur Paul Plamper die fiktive Geschichte zweier Paare, die einen erbitterten Kampf gegeneinander — und um eine Immobilie führen. Letztes Jahr wurde das Stück in einem Hörspiel-Parcours in Köln-Kalk gezeigt. 

 


Herr Plamper, »Der Kauf« ist nicht einfach ein Anti-Gentrification-Drama. Es lässt die moralische Bewertung der Hauptfiguren offen, auch wenn sie sich, wie ich finde, als total unsympathisch entpuppen. Was hat Sie inspiriert?

 

Die Situation in Berlin. Ich habe viel über den Immobilienmarkt recherchiert. In meinem Umfeld versuchen Freunde und Bekannte, die gar nicht mal sehr materialistisch denken, noch eine halbwegs bezahlbare Eigentumswohnung zu ergattern — aus einem Schutzreflex heraus. Sie fürchten Mietwucher oder den Ausverkauf. Aber beim Sprung ins Becken des Immobilienmarkts stehen auch die integersten Leute in Gefahr, zum Hai zu werden. Da werden moralische Gepäckstücke schnell mal abgeworfen, während man versucht, noch sein Stückchen aus dem Kuchen herauszuschneiden.

 


Sie haben Versionen für München, Berlin und Köln erarbeitet. In Köln finden wir uns auf der wild-wuchernden Brache hinter der Halle Kalk wieder. Warum dort?

 

Diese Leerstelle eignet sich besonders gut als Projektionsfläche für die Geschichte. Zunächst wird das Gelände mit Bauwagen besetzt. Die alternativen Besetzer retten dieses kleine Stückchen Erde vor den Immobilienhaien. Sie starten ein gefördertes Wohnprojekt mit Baugruppen. Zwei meiner Figuren sind so in die Eigentümerrolle geraten und finden sich als Besitzer einer Traumwohnung wieder, weil aus der Stadtbrache ein Filetstück geworden ist. Bis ein anderes Paar eine Art freundliche Belagerung startet. Die wollen genau diese Wohnung. Das ist das Dilemma, dass es in vertikal gebauter städtischer Architektur eben nur eine tolle Dachgeschosswohnung gibt, in der man den anderen auf dem Kopf rumtrampeln kann (lacht). Anders als beim Geld, ist es bei der Verteilung von Immobilien schwierig, Gerechtigkeit herzustellen. Wer soll die Top-Wohnung bekommen?

 


Sollte also, wer jetzt ein Haus oder eine Wohnung kaufen oder verkaufen will, vorsorglich den »Kauf« hören? Als Ratgeber?

 

Natürlich (lacht). 

 


Die Sprache klingt, wie in all Ihren Hörspielen, wieder ganz alltäglich. Ich bin mir sicher, mindestens ein Dutzend der Sätze, habe ich selbst schon einmal gesagt. Improvisieren die Schauspieler?

 

Meine Fassung besteht oft aus einem präzise gebauten Handlungsgerüst, Szenen- und Dialogentwürfen und vor allem Figurenprofilen. Wenn wir dann loslegen, landet sie dann aber irgendwo in der Ecke, weil sie beim Spielen stört. Ich finde es für den Prozess absolut gut, wenn der Spieler zum Filter meiner Idee wird und sich die Szenen weiterentwickeln. Im Anschluss schneiden wir in einem langen Prozess die Varianten dieser Improvisationen zusammen. Wir verdichten und musikalisieren sie auf eine unmerkliche Art zu einem Konzentrat.

 

Welche Rolle spielt dabei das reale Setting?

 

Beim »Kauf« saßen Sie u.a. mit den Schauspielern zusammen am Küchentisch. Die Schauspieler können so besser miteinander und mit dem Ort spielen. Es ist was anderes, wenn der Schauspieler tatsächlich draußen steht, wenn er klingelt. Er muss warten, die Stimme erheben. Im Studio tut er im luftleeren Raum so »als ob«. Das klingt oft hölzern und ausgestellt. Außerdem schließt man den Dreck aus. In der Realität gibt es ständig irgendwelche kleinen »Stör«geräusche, die ins Klangbild hereindrängen. 

 


Wie wichtig ist es für Sie, Klang räumlich zu denken?

 

Für mich ist es nahezu ein unglaubliches Wunder, das man mit Signalen aus einem linken und rechten Kanal, allein über Schallwellen, in einem Stereobild einen Raum entstehen lassen kann. Das macht dieser Kunstkopf, das Mikrofon, das wir verwendet haben. Er bildet die Realität exakt ab. Ein Auto, das vorbeifährt, klingt so räumlich, dass man sich im Wohnzimmer beim Hören unwillkürlich danach umdreht. Diese gefühlte Räumlichkeit wollte ich mit der leeren Brache verbinden, so dass der Hörer beginnt, sich in der Fantasie seinen eigenen Ort vorzustellen.  

 


Ich fühlte mich fast physisch in die Geschichte gezogen. Die Projektion von Glück auf eine eigene Wohnung, dieser »Traum« wurde plötzlich greifbar.

 

Diese Direktheit, die einen körperlich trifft, wie Töne in der Musik, in Verbindung mit einer Erzählung — das ist für mich das Alleinstellungsmerkmal des Hörspiels. 

 


Ihre Hörspiele laufen bei öffentlich-rechtlichen Sendern. Ärgert Sie manchmal, dass Ihre Stücke ein paar Mal gesendet werden und dann im Archiv verschwinden?

 

Ich hatte bisher das Glück, dass viele meiner Hörspiele im Radio wiederholt werden. Aber sie sind jetzt alle auch als CD oder Download auf hoerspielpark.de erhältlich, ein wachsendes Archiv für ausgewählte Radio-Hörspiele. Das ist sicherlich auch der Versuch, die Archive der Rundfunkanstalten zu öffnen und Werke der Hörkunst dauerhaft erhältlich zu machen.

 


Wann werden wir »Der Kauf« nochmals als Hörspiel-Parcours erleben können?

 

Wir werden im Sommer damit auf Tour gehen und hoffen, die Brachenaktion wieder in Kalk machen zu dürfen.