Strichmännchen der Globalisierung

Rafael Sanchez inszeniert »Die Welt mein Herz« als erste Folge einer fiktiven Theaterserie

Was die können, können wir schon lange: Die Begeisterung für Fernsehserien, vor allem amerikanischer Provenienz, ist im Theater angekommen. Der derzeit zwischen Berlin, Heidelberg, Bochum und Köln herumgereichte angesagte Autor Mario Salazar nennt seine Serie »Die Welt mein Herz«, deren erste Staffel am Schauspiel Köln uraufgeführt worden ist.

 

Das angebliche Vorbild kann man getrost vergessen. Salazar konstruiert vier parallel laufende Handlungsstränge, deren Personal sich allmählich begegnet. Da sind Steve und Janine aus dem sächsischen Stendal-Süd. Ihre Beziehung zerbricht am Tod ihres Kindes und lässt das Paar getrennt durch die Welt ziehen. Oder Amanda in Buenos Aires, die ihren Freund verlässt , um mit ihrem Zuhälter El Rey zusammen zu sein; dann die alten Berliner Damen Waltraud und Irmgard, die denselben Mann geliebt haben und sich als dementes Witwenduo um die Erinnerung streiten. Schließlich kämpfen in der Bronx noch Zapata und Princesa um ihre Aufenthaltsgenehmigung.

 

Vier Mal erzählt Salazar den Traum vom Glück, von Erfolg und Anerkennung. Er springt wild zwischen den Schauplätzen hin und her, er schreckt weder vor Pathos zurück noch vor ironischem Brutalismus oder dem magischen Realismus der lateinamerikanischen Literatur. Das zeugt von Charme und Empathie, auch wenn die Figuren eher flach bleiben.

 

Regisseur Raffael Sanchez kürzt kräftig und setzt das Stück im Depot 2, eingerichtet wie in einer Fernsehkulisse samt amerikanischem Diner, Favela-Baracke und Polstergarnitur, zunächst auf die Beschleunigungsspur. Im Eilschritt umrundet das Theater die globalisierte Welt, reißt hier eine Szene an, strichelt dort eine Figur hin. Vieles bleibt skizzenhaft. Sanchez blickt aus der Vogelperspektive auf die Protagonisten. Er sieht Menschen, die sich erbärmlich abmühen und dabei nur komisch wirken. Wie ein Sahnehäubchen sitzt die Komik auf fast jeder Szene, unterstützt durch zahlreiche Crossgender-Besetzungen. Der einsame Zuhälter, der Dauerclinch der alten Schachteln, das mysteriöse schwarze Loch, durch das es von Mexiko nach Stendal-Süd geht — so durchgeknallt es in der Vorlage zugeht, die Regie zeigt mit ausgestrecktem Finger immer noch einmal darauf.

 

Dass in der Verstiegenheit einer Viviana, dem Dauerstreit von Irmgard und Waltraut, den bizarren Utopien eines Conhielo, der absurden Wildheit von Princesa aber gerade Trotz und Trost samt unbändigen Lebenswillen stecken, entgeht Sanchez. Am Ende fehlt ihm schlicht die Empathie für die Figuren des Stücks.