Schöne neue Welt

»Her« von Spike Jonze

Mit einem kleinen Knopf im Ohr und einem aufklappbaren Gerät kaum größer als eine Visitenkarte wird der Kontakt zur virtuellen Welt hergestellt. In Spike Jonzes neuem Film »Her« haben sich die Grenzen zwischen Realität und digitalem Raum aufgelöst. Aber diese Zukunft ist keine funkelnde Hi-Tech-Welt, sondern ein aufgeräumtes, retrofuturistisches Szenario, das sehr nah an unserer Gegenwart ist und von der totalen Verschmelzung von Mensch und Technik ausgeht.

 

Theodore (Joaquin Phoenix) lebt in diesem Los Angeles der Zukunft und bestreitet seinen Lebensunterhalt als Briefschreiber. »Beautifulhandwrittenletters.com« nennt sich die Firma, in deren wohl klimatisierten Räumen fleißige Texter Liebes- und Gratulationsbriefe für die Kundschaft formulieren. Theodore ist einer der Besten, schließlich hat er selbst ein gebrochenes Herz und versucht nach einer schmerzhaften Trennung wieder auf die Füße zu kommen.

 

»Wer bist du? Was könnest du sein?« tönt es da aus dem Werbemonitor in der U-Bahn-Unterführung. Ein neues Betriebssystem, das sich intuitiv auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden einlassen kann, wird angepriesen. Nach ein paar Fragen richtet sich das Programm ein und wird fortan zum ständigen Lebensbegleiter Theodores. Die weibliche Stimme (in der Originalversion von Scarlett Johansson) wird für den einsamen Mittdreißiger schon bald zur besten Freundin und später zur körperlosen Geliebten.

 

Spike Jonze erzählt diese Liebesgeschichte zwischen Mensch und Betriebssystem als echte Ro­­manze, mit allen komischen wie tragischen Aspekten. Er zieht das Publikum hinein in diese entkörperlichte Beziehung, die für den ver­einsamten Protagonisten nicht nur zum Trostspender, sondern zu einer vielschichtigen emotionalen Angelegenheit wird. Dazu gehört, dass die digitale Freundin immer mehr menschliche Fähigkeiten erlernt und ihre Erfahrungen bald schon die des Geliebten übersteigen.

 

Was an Jonzes intelligentem Zukunftsszenario vor allem überzeugt, ist die enorme inhaltliche wie ästhetische Schlüssigkeit, mit der hier eine Welt entworfen wird, in der die Technologie scheinbar vollkommen auch auf die seelischen Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten ist. Das schlichte Design der filmischen Räume und die Brillanz der Bilder verlängern und verfremden unsere Gegenwart in eine Zukunftsvision hinein, die erschreckend wahrscheinlich ist.

 


Her (dto) USA 2013, R: Spike Jonze, D: Joaquin Phoenix, Amy Adams, Rooney Mara, 126 Min. Start: 27.3.