Der Wohlklang des Zufalls

Von Techno zu Krautrock und zurück: Vermont haben ein sehr kölsches Album eingespielt

Wie klingt Zufall? Man möchte denken, dass er kracht, sich verheddert und überschlägt. So wie er sich auf dem Album von Vermont anhört, hätte man es jedenfalls nicht erwartet. Vermont, das sind Marcus Worgull und Danilo Plessow (alias Motor City Drum Ensemble). Die beiden lernten sich über DJ-Gigs kennen und trafen sich daraufhin, um gemeinsam Musik zu machen. Erst in Plessows Heimstudio in Köln, nach seinem Umzug dann in Utrecht. Die beiden schalteten einfach mal die Drummachines aus, ließen sich in die Klangwelten von analogen Synthesizern fallen und ihren Sound Zufall für Zufall, Loop für Loop entstehen. Plessow und Worgull entschieden von Wohlklang zu Wohlklang, von Schleife zu Schleife, bis schließlich ambiente Sound-Flächen entstanden, mit deutlichen Anleihen an Krautrock, wie er im Rheinland der 70er Jahre aufblühte. Ihr selbstbetitelte Album von Vermont erscheint in diesen Tagen auf Kompakt. Krautrock, Techno? Köln!

 

Ihr habt beide in Köln gewohnt, habt jetzt gemeinsam fast schon Krautrock produziert und veröffentlicht euer Album auf Kompakt Records. Mehr Kölner Musik-Tradition geht ja kaum!

 

Danilo Plessow: Also ich bin ja immer auf der Suche nach Samples. Von daher hatte ich schon viel im Kopf,  zum Beispiel vom Brain-Label oder von Can, also deutsche Einflüsse. Habe aber nie gedacht, dass ich damit mal was machen würde. Marcus hat das dann mit der Idee, die Bassdrum wegzulassen, in die Wege geleitet.

 

Seid ihr bewusst mit eurer Musik einer Tradition gefolgt? Ich meine, ihr habt ja mit Dominik von Senger (Phantom Band, Dunkelziffer) oder Jaki Liebzeit (Can) entsprechende Featuregäste für euer Album ausgewählt.

 

Marcus Worgull: Ja, aber das hat sich einfach so ergeben. Zum Beispiel macht Bruno [Booker bei Kompakt] das Booking von Danilo und einem Projekt von Jaki Liebzeit. Bruno meinte dann: »Frag ihn doch mal, der ist doch immer offen für so was.« Dominik von Senger habe ich im Plattenladen kennengelernt. Wir wollten uns sowieso immer mal zum Musikmachen treffen. Danilo und ich wollten einfach noch andere Klangquellen. Dass das mit den Personen und dem Kontext so gut passt und das Album dazu auf Kompakt erscheint ...

 

Plessow: ...ist alles Zufall.

 

Ihr hattet kein Sendungsbewusstsein? Das Album ist einfach so passiert?

 

Plessow: Ja. Ich glaube, was uns beide auszeichnet, ist, dass wir sehr aus dem Bauch heraus handeln. Wir machen die Dinge der Musik wegen. Dass das Album jetzt fast schon eine Message hat, das war uns, während wir daran gearbeitet haben, nie bewusst. Aber es ist natürlich sehr schön: Ich bin froh, wenn 18jährige Kids durch Vermont angeregt werden, Dominic von Senger zu checken und die Platten von ihm zu kaufen. Das ist für ihn super, das ist für die Musik super, das ist für die Jugend super.

 

Ich will euch trotzdem so ein wenig eine Metaebene entlocken. Ihr habt ein Album gemacht, das viel Kölner Musikgeschichte beinhaltet, anderseits nennt ihr euch Vermont. Spiegelt das vielleicht den Kontrast zwischen Heimat und Ferne wieder, mit dem ihr als DJs ständig zu tun habt.

 

Worgull: Ja, das ist schon auf dem richtigen Trichter! Wie der Name entstanden ist, ist trotzdem Zufall. Es ging nur um den Klang und dass man irgendwas mit dem Wort verbindet. Es hört sich einfach passend an. Manche wissen noch nicht mal, dass es ein Ort in den USA ist und trotzdem hat man irgendwas mit Reisen im Kopf ...

 

Plessow: ... Natur ...

 

Worgull: ... Winterlandschaften, oder eine herbstliche Waldlandschaft.

 

Ist das auch wieder nur Zufall? Krautrock-Bands haben immer wieder das Motiv »Urbanität versus Landidylle« behandelt.

 

Plessow: Ja, das ist witzig.

 

Worgull: Aber, ob die damals bewusst dieses Motiv behandelt haben, weiß ich jetzt auch nicht. So wie ich die Geschichte von den Leuten kenne, mit denen ich gesprochen habe, haben die einfach rumgejammt. Du brauchst halt irgendeinen blöden Titel

(alle lachen)

 

A Propos Titel: Die Titel auf eurem Album, haben die auch keine Bedeutung? »Sharav« ist die hebräische Bezeichnung für einen Wüstenwind, »Yaiza« eine Gemeinde auf Lanzarote ...

 

Worgull: ...Yaiza ist einfach ein Dorf, aber es gibt auch eine Gemeinde auf Lanzarote, das ist korrekt. Ich kam darauf, weil ich da mit meiner Freundin im Urlaub war. Es ging aber vor allem darum, Worte zu finden, die erstens bei Discogs nicht schon 100.000 Mal benannt worden sind und zweitens, die gut klingen und geschrieben gut aussehen.

 

Ein anderer Track heißt»Rückzug«.

 

Plessow: Ich kann dazu nur sagen, dass Musik für mich generell ein einziger Eskapismus ist. Es ist für mich immer ein Rückzug. Seit meinen jungen Jahren auf dem Land, verkörperte Musik für mich die Ferne, die mich gerettet hat. Ich glaube, dass die Harmonien in meinen Songs diese gewisse Melancholie, Fernweh und einfach Plätze, die so nicht vor dir sind, ausdrücken. Aber nicht so, dass ich da konzeptmäßig rangehe. Das passiert halt, weil es in mir drin ist.