Start-up des 19. Jahrhunderts

Das Schauspiel Köln mit einem Projekt über seine Mülheimer Spielstätte

Vor 140 Jahren eröffnete Franz Carl Guilleaume im Sommer seine Produktionsstätte für Seile, Drähte und Kabel in Mülheim, die ihn zu einem der größten Unternehmer der Branche aufsteigen lassen sollten. Heute wird auf dem Gelände an der Schanzenstraße Theater produziert. Das Schauspiel Köln nutzt die ehemaligen Betriebshallen aber nicht nur als Ausweichspielstätte. Der historische Ort wird nun Mittelpunkt des über zwei Spielzeiten angelegten Projektes »Carls Werk«.

 

»Unser Ziel ist keine lückenlose Unternehmenschronik«, erklärt Dramaturgin Nina Rühmeier. Vielmehr will das Ensemble einen subjektiven Blick auf den Start-up-Unternehmer des 19. Jahrhunderts werfen und Momente aus der Familiengeschichte aufblitzen lassen.

 

Seit einem Jahr recherchieren Theatermacher Jan Neumann und Filmregisseur Dirk Kummer für das Projekt. Sie besuchten das neue Kabelwerk in Flittard, Archive und waren auf den Schlössern des Guilleaume-Clans zu Gast. Dabei stießen die beiden auf allerhand Berührendes und Skurriles: Postkarten von Werksangehörigen aus dem Zweiten Weltkrieg etwa oder den Briefwechsel zwischen Franz Carl und seinem Vater, der ihn als 20-Jährigen in den 1850er Jahren zur Industriespionage nach England schickte.

 

Es wurde schnell klar, »dass das alles zu groß ist, um es erschöpfend an einem Abend abzuhandeln«, erzählt Rühmeier weiter. Deswegen kommen in einem ersten Teil zunächst die Fundstücke zur Uraufführung. Das werde, so die Dramaturgin, eine experimentelle Mischung aus Installation, Kino und Theater. Ob die historischen Figuren in eine fiktive Handlung versetzt werden oder man sich freier mit Themen wie Arbeitswelt und Kommunikation auseinandersetzt, wollen die Macher erst für den großen Showdown im kommenden Jahr entscheiden. Jetzt werden Reenactments mit den Schauspielern Annika Schilling und Stefko Hanushevsky sowie neu gedrehtes Filmmaterial und Archivbilder zu sehen sein.  

 


»Carls Werk — Erster Teil«,
R: Jan Neumann, Dirk Kummer,
17. (UA), 20., 25., 28.4., Depot 2, 20 Uhr