Die Apple-Monologe

Das nö-theater spielt die Geschichte eines Jüngers, dem die Unschuld abhanden kommt

Der New Yorker Autor Mike Daisy war selbst lange Apple-Fan, bevor er nach Shenzhen in China reiste. Einst eine kleine Fischerstadt, stehen dort heute in sogenannten Sonderwirtschaftszonen gigantische Fabriken, wie von Apples wichtigstem Zulieferer Foxconn. Daisey hat dort in »iCity« undercover recherchiert und aus seinen Notizen eine One-Man-Show gemacht, die zwischen Fiktion und Fakten wechselt. Inzwischen kann jeder, der will, das Skript kostenlos via Daisys Blog (mikedaisey.blogspot.de) herunterladen.

 

Nun hat sich das nö-theater den Text vorgeknöpft. Patric Welzbacher begibt sich als Daisys Alter Ego in den Kosmos der Apple-Zauberwelt, der vor den Toren der Produktionslagern in Shenzhen endet. Es ist grandios, wie Welzbacher die Figur unter der Regie von Janosch Roloff angelegt hat. Im saftig-grünen Hemd steht er barfuß wie sein Guru »Steve« auf der kahlen Bühne. Als Daisy, der »Appleleptiker«, erzählt er zunächst spielfreudig von seiner Liebe zur Technik. Der Geruch frisch ausgepackter Apple-Produkte versetze ihn in Ekstase. Er schwärmt von »Steve« und dessen genialen Schöpfungen. Zwischendrin wandelt sich Welzbacher immer wieder zum iGod selbst. Salsa tänzelnd, Steve Job war großer Fan!, serviert der Schauspieler in einer Art Predigt dessen seltsame Doppelmoral: skrupelloser Unternehmergeist auf der einen Seite und techno-liberales Hippietum auf der anderen.

 

Der Moment der Ernüchterung folgt, als Daisy von den menschenunwürdigen Bedingungen erfährt, unter denen seine großen Lieben, Macbook & Co, von hunderttausenden von Billiglöhnern produziert werden. Auf einmal schreiten wir mit ihm als potentiellem Kunden durch Fabrikhallen von Foxconn. Es ist famos, wie Welzbachers präzises Spiel trotz Stand-up Manier dazu beiträgt, die Monstrosität dieses Ortes spürbar — sogar imaginativ plastisch wahrnehmbar zu machen. Hier wurden als Reaktion auf krankmachende 17-Stunden-Schichten am Fließband nicht die Arbeitsbedingungen verbessert, sondern zwischen den Hochhäusern Fangnetze gespannt, um weitere Selbstmorde unter den Mitarbeitern zu verhindern.

 

»Wir wollen die Dinge nicht sehen«, sagt der Protagonist am Ende, »aus Ignoranz«. Das gerät agitatorisch und emotional — und ist eben so im politischen Theater, das Wirkung erzeugen will. Ob das Früchte trägt, mag jeder Einzelne für sich beantworten.

 


»Die Agonie und Ekstase des Steve Jobs«
A: Mike Daisy, R: Janosch Roloff, 3.–5.4., Theater Tiefrot, 20.30 Uhr