Spiel mit Grenzen

Pierre Huyghe im Ludwig

Der weiße Hund mit dem pinkfarbenen Vorderbein war wohl einer der meistbeachteten Protagonisten der Kasseler documenta 2013. Als eine Art lebendiges Kunstwerk war Human, so sein Name, Bestandteil der Open-Air-Installation »Ohne Titel« von Pierre Huyghe. Der längst international bekannte, 1962 in Paris geborene Künstler hatte seine Arbeit sinnfällig in der Kompostierungsanlage der Karlsaue platziert. Dort umschwirrten Bienen den Kopf eines liegenden Frauenakts und bestäubten aphrodisierende und bewusstseinserweiternde Pflanzen, während ein gefällter Eichenstamm — Teil eines früheren documenta-Beitrags von Joseph Beuys — langsam zu Dünger wurde.

 

Schon an diesem Beispiel aus Huyghes vielgestaltigem Schaffen zeigt sich, dass es ihm um Grenzüberschreitungen und Zweifel an starren Kategorien geht. So wirft Humans farbiges Bein die Frage nach den Grenzen der Malerei auf, während sein Name mit den gewohnten Definitionen von Mensch und Tier spielt. Auch Huyghes Ausstellungspraxis bedient sich, im übertragenen Sinne, der Verfahren des Kompostierens und Recycelns: Die umfangreiche, retrospektiv anlegte Schau im Museum Ludwig — die erste im deutschsprachigen Raum — ist die mittlere, für Köln modifizierte Etappe einer 2012 in Paris begonnenen und 2015 in Los Angeles endenden Welttournee.

 

Das durchlässige Verhältnis von Kunst und Leben, Realität und Fiktion erforschen auch Hughes‘ filmische Arbeiten, etwa wenn in »Blanche Neige Lucie« (1997) die Schauspielerin Lucie Dolène sichtbar wird, die in der französischen Version des Walt-Disney-Klassikers »Schneewittchen« der Titelfigur ihre Stimme lieh. Es liegt nahe, dass in diesen wechselvollen Zusammenhängen die Rolle des Publikums auf den Prüfstand kommt: Wer die
Ausstellungsräume betritt, wird namentlich ausgerufen. Ein durchaus zwiespältiges Privileg — je nachdem, ob man Anonymität als Luxus oder als Zumutung wahrnimmt. Andererseits ist es womöglich eine schöne Geste, um Human, den Bienen, einer Schlittschuhläuferin, die auf schwarzem Eis ihre Figuren dreht, und den anderen Existenzen in Huyghes Mikrokosmos angemessen begegnen zu können.

 


Die Ausstellung eröffnet während der Art Cologne-Woche:
Museum Ludwig, Heinrich-Böll-Platz 1, Di–So 10–18 Uhr,
jeden 1. Do im Monat 10–22 Uhr, 11.4. bis 13.7., Eröffnung 10.4., 19 Uhr