Christian Meier-Oehlke, Bernd Wilberg

Fernweh und Bauchweh

Auch in Köln hat sich gastronomisch längst ein diffuser Mainstream durchgesetzt. Und der geht so: mediterrane Leichtigkeit für das Lebensgefühl, dazu neu-deutsche Deftigkeit, um auch mal satt zu werden. All das angereichert mit starken asiatischen Aromen, Schäumchen als Molekularküche-Abklatsch und modischem Präsentations-Design, der urbane Gast isst heute bevorzugt von Schieferplatten statt vom Teller. So sieht sie aus, die Gentrifizierung der Kochkunst durch Jamie Oliver, Tim Mälzer und Konsorten — konzeptuell immer mit Hemd über der Hose.

 

Verständlich, dass unter dieser Hegemonie auch mal der Wunsch nach sperriger authentischer Länderküche laut wird. Denn tatsächlich fehlen zunehmend jene traditionellen Restaurants, spezialisiert etwa auf kreolische oder skandinavische, auf kanarische oder ungarische Küche. Aber ist das schlimm? Gründet die Klage wirklich auf dem Wunsch nach unverfälschten regionalen Spezialitäten jenseits des globalisierten Geschmacks? Oder ist es nicht vielmehr bloß kulinarische Sammelwut: eine mondäne Pose, um sich der eigenen Weltläufigkeit zu versichern? Und wer vermutet ernsthaft, dass es eine solch bewusstseinserweiternde Erfahrung zeitigte, in Köln etwa Gerichte der Sahara essen zu können? Wir bekämen doch vermutlich wider nur jene Parodien auf den originalen Geschmack serviert, wie das jetzt schon bei den meisten indischen,  thai-ländischen oder mexikanischen Adressen gang und gäbe ist. Auf Fernweh folgt Bauchweh. Weil Talent, gute Zutaten und auch ernsthaftes Interesse des Publikums fehlen.

 

Statt uns also nach exotisch klingenden Gerichten zu sehnen, könnten wir zunachst lieber darauf bestehen, dass Bekanntes, Allzu-Bekanntes in Bestform auf die Teller kommt. Warum präsentiert diese Stadt ihre rheinischen Klassiker in derart schlimmer Verfassung? Man muss lange suchen, um eine Adresse mit gutem Rheinischen Sauerbraten aufzutun ...

 

Die Wahrheit ist: Eine interessante Speisekarte ist nichts. ein souverän gekochtes Gericht ist alles. Es kommt nicht so sehr darauf an, was man kocht, sondern wie man kocht. Am besten nämlich gut — und ohne mit Exotismus oder kulinarischen Knalleffekten um Aufmerksamkeit zu buhlen.