Versandende Pointen

Gauner-Komödie: Über-Ich und Du

von Benjamin Heisenberg

Der tollpatschige Kleinganove Nick Gutlicht (Georg Friedrich) muss untertauchen. Gläubiger sitzen ihm im Nacken. Als heißer Tipp für einen Unterschlupf wird ihm eine leer stehende Villa empfohlen. Doch entschließt sich deren Bewohner, der schrullige, leicht senile Psychologe Curt Ledig (André Wilms), kurz vor Abreise, das Haus nun doch nicht zu verlassen. Folge: Der eh schon fälschlich für den Haussitter gehaltene Nick steht nun auch noch als Pfleger eines mal wirren, mal adleräugigen Alt-Intellektuellen da. Bald wittert Nick die Chance, mit dem stückweisen Verkauf der wertvollen Hausbibliothek hinter dem Rücken des vermeintlich merkbefreiten Greises seine finanzielle Lage aufzubessern. Dieser aber hat den Braten längst gerochen und ergreift die Möglichkeit, als Rentner noch mal einen faszinierend neurotischen Charakter auf die Couch zu legen.

 

Nicht nur für Benjamin Heisenberg (»Der Räuber«), auch für die sogenannte Berliner Schule, der Heisenberg zugerechnet wird, ist diese irrwitzige Komödie ein Befreiungsschlag. Zeichnet sie sich üblicherweise durch eine starke Kontrolle über das Material aus, nimmt sich »Über-Ich und Du« viele schöne Freiheiten heraus. Der Humor lässt sich zum Beispiel kaum festlegen: Das Spektrum reicht von Dialog- über Situationswitz bis hin zu Slapstick, lakonischer Skurrilität und Mut zur Pointenversandung in diesem im übrigen auch atemberaubend schön gedrehten Film (Kamera: Reinhold Vorschneider). Hinzu kommt eine ganze Armada bunter Heißluftballons, deren Passagiere wie ein Chor das Geschehen von oben begleiten und beobachten, während Georg Friedrich dem Film eine unaufgeregte Straßenlässigkeit unterhebt, wie es sie im hiesigen Kino lange nicht mehr zu sehen gab.

 

Sicher, Heisenbergs Film ist alles andere als rund. Vieles ist rätselhaft, manches völlig unverständlich. Doch alleine für den Einfall, dass hier in einer Nebenhandlung Verbrecher mit Migrationshintergrund einmal nicht zur Projektionsfläche politisch informierten Themenkinos werden, sondern in Bürgerstuben in Leder gebundene Bücher lesen und im illegalen Antiquariat eintüten, muss man diesen exzentrischen Film sehr gern haben.

 

Fraglich aber bleibt, ob »Über-Ich und Du« das Kölner Publikum überhaupt erreicht. Bis zum Redaktionsschluss war jedenfalls nicht in Erfahrung zu bringen, ob er tatsächlich in der Stadt laufen wird. Dass wir ihn an dieser Stelle dennoch so prominent vorstellen, ist demnach auch als milder Protest gegen kinokulturellen Kahlschlag zu verstehen.