Clemens Meyer »Im Stein«

Nein, für den Spaß ist Clemens Meyer nicht zuständig. »Wer lachen will, soll zu Schätzing gehen«, sagte er auf der lit.cologne. Was wohl Schätzing zum Thema Prostitution geschrieben hätte? Meyer jedenfalls fährt in »Im Stein« einen authentischen Chor unterschiedlichster Stimmen auf. Pros­ti­tuierte kommen zu Wort, ebenso wie Zuhälter und Laufhausbetreiber, Polizisten oder der Moderator einer schlüpfrigen Online-Call-In-Show, der die Prostituierten der Stadt testet und im Fieser-Onkel-Duktus Empfehlungen ausspricht. Dabei nähert sich Meyer der zuletzt rauf- und runterdiskutierten Thematik auf differenzierte Weise. Hier gibt es keine klare Unterscheidung zwischen Gut und Böse, nicht alle Prostituierten sind unter Zwang aus Osteuropa hierher gekommen, aber einige eben doch — und wenn man über Ausbeutung und Arbeitsverhältnisse in der Pros­titution spricht, muss man halt auch ganz allgemein über Ausbeutung und Arbeitsverhältnisse sprechen. Die Bewusstseinsströme der einzelnen Figuren sind für den Leser nicht immer einfach, oft sperrig und ausufernd, aber stets wahrhaftig, oft bis zur Schmerzgrenze. Wer lachen will, soll Schätzing lesen.