Kunst vs. Technik

Subbotnik inszeniert Eichendorffs Taugenichts als illusionsreiches Live-Hörspiel im FWT

»Im Kapitalismus ist die Arbeit auf eine Weise organisiert, die den Zugang zur Faulheit nicht allen Menschen gleichermaßen ermöglicht«, notierte 1921 der Maler Kasimir Malewitsch ironisch. Knapp einhundert Jahre früher hatte der Held in Joseph von Eichendorffs Novelle »Aus dem Leben eines Taugenichts« die Probe aufs Exempel gemacht. Der Ich-Erzähler döst als glücklicher Arbeitsloser vor der Mühle seines Vaters herum, bis der ihn rauswirft. Als social drifter gerät der Taugenichts in Wien in Adelskreise, lässt sich nach Italien weitertreiben, wo er vor allem Künstler trifft. Schließlich findet er die große Liebe und endet als Schlossbesitzer.

 

Was dieser romantische Einspruch gegen kapitalistische Verwertungsabsichten noch wert ist, erprobt die Gruppe Subbotnik in ihrem Live-Hörspiel zu Eichendorffs Novelle. Auf der Bühne steht eine raumhohe Tonkabine, bemalt mit Bäumen, Natur als Artefakt; schräg davor auf einem Teppich (bürgerliche Gemütlichkeit!) ein Regietisch mit Mischpult und Rotweinflaschen. Während Andreas Maier als Sprecher in der Tonkabine verschwindet und eine rote Lampe »Aufnahme« suggeriert, macht sich Oleg Zhukov an die Untermalung: Plastik knistert wie Schritte auf Kies, ein Rasierer imitiert Fliegensummen, Tassenscheppern eine Kutschfahrt. Geräusche mischen sich mit live Eingesprochenem und gerade Produziertem. Gelegentlich bittet Zhukov um eine Wiederholung: »Die letzte Passage nochmal.«

 

Romantische Reflexion und Ironie wird zum Spiel mit dem Evozieren und Brechen der Bühnenillusion gedeutet. So wie Natur- und Kunstidealisierung in der Romantik gegen technologischen Fortschritt ausgespielt wurden, so geraten hier Sprecher, also Künstler und Techniker aneinander. Zhukovs Unterbrechungen in emphatischen Passagen quittiert Maier mit zunehmender Genervtheit, vor allem in den Leidenspassagen des Taugenichts (»Mir ist es nirgends recht«), dessen drängenden Gefühlen plötzlich als reproduzierbar erscheinen.

 

Wenn Zhukov Brotzeit macht, denkt man wieder Störmanover, die Szene geht jedoch in einen Bericht vom »guten Essen auf dem Schloss« über; umgekehrt löscht Maier zur großen Nachtszene das Licht in der Tonkabine. Der Abend ist ein Virtuosenstück illusionistischen Spiels, ob uns der Taugenichts inhaltlich noch etwas zu sagen hat, erfahren wir nicht. Dann übernimmt der Künstler die Regie: Andreas Maier zieht alle Register, bis nach siebzig kurzweiligen Minuten alles in einem schäbigen Happy End strandet.

 

»Aus dem Leben eines Taugenichts«, Regie: Subbotnik/Götz Lautenbach