Bernd Wilberg

Bürokraten hinter Theken

 

 

»Könnte sein, dass der Kaffee etwas dünn ist…« So sprach die Frau hinter der Theke, und hatte mir den bestellten Kaffee to go auch schon hingestellt. Zu zahlen hatte ich den vollen Preis. Draußen bemerkte ich: Der Kaffee schmeckte gar nicht dünn. Er war völlig ungenießbar.

 

Nun sollte man wissen, dass ich bis zu jenem Erlebnis sehr oft dort Kaffee gekauft hatte, fast jeden Wochentag. Obwohl vor kurzem der Preis für den Pappbecher Kaffee um 20 Prozent gestiegen war, einfach so. Zubereitet wurde er weiterhin mit H-Milch vom Discounter. Man sollte außerdem wissen, dass die Gewinnspanne beim Verkauf von Kaffee im Vergleich zu jedem anderen gastronomischen Angebot extrem hoch ist. Es gehört zu den erstaunlichsten kognitiven Verzerrungen, dass diese Preise von vielen Menschen hingenommen werden, die sonst murren, wenn in einem seriösen Restaurant ein Hauptgericht mehr als zwölf Euro kostet.

 

Man kann den Umgang mit Kunden aber noch bekloppter gestalten, als ihnen missratenen Kaffee unterzujubeln — und das ausgerechnet unter der Prämisse der Kundenbindung: mittels Rabattkärtchen, auf denen man sich den Einkauf attestieren lässt, um nach einer bestimmten Anzahl mit einer Gratis-Offerte belohnt zu werden. Nach zehn Kaffees ist der elfte umsonst. Dieser Trend schien längst passé, nun nimmt anscheinend wieder Fahrt auf, vor allem in Kaffeebuden. Vorbild sind die »Treue-Rabatte« der großen Handelskonzerne. Das mag für anonyme Supermärkte als Strategie der Kundenbindung funktional sein. In der Kaffeebude um die Ecke ist es jedoch absurd. Die Kundschaft soll allen Ernstes stets ein Kärtchen bei sich tragen, um es beim Kaffeekauf abstempeln zu lassen?
Was soll diese Bürokratisierung?

 

Als Gastronom ist es ratsam, sich die Gesichter von Stammkunden zu merken. Hin und wieder gibt man ihnen mal etwas umsonst. Einfach so. Die besten Kneipenwirte tun das, aus Gastfreundschaft, aus Geselligkeit und weil es ökonomisch klug ist: Die Kosten für ein Kölsch oder Schnäpschen aufs Haus sind minimal, der Effekt aber ist riesig. Denn wer so etwas erlebt, fühlt sich gut bewirtet und erzählt es weiter. Ebenso wie man weitererzählt, wenn einem als Stammkunde zur Belohnung missratener Kaffee verkauft wird.