Der Windhund trottet vorbei

Pierre Huyghes Weg vom Kino über die

Documenta ins Museum und wieder zurück

In interessierten Filmkreisen ist Pierre Huyghe spätestens seit »The Third Memory« (1999) eine fixe Größe. Wen wundert’s, ist doch ein beträchtlicher Teil seines Werks in der Bewegtbildgeschichte verwurzelt und dreht sich darum, wie wir Filme erinnern, was das Kino mit unserem persönlichen wie kollektiven Gedächtnis anstellt. Und das auf brillante Art und Weise: Huyghe hat den gesamten schöpferischen Prozess Kino durchgearbeitet, von der Reanimation durchkanonisierter Klassiker (u.a. »Remake«, 1995) über Versuche zum Wesen der Synchronisation (»Dubbing«, 1996; »Blanche Neige Lucie«, 1997) bis hin zu einem Zyklus von Werken mit einer eigens dafür angeschafften anime-Figur namens Annlee.

 

Jenseits all dessen läuft Huyghes Arbeit immer wieder auf Videos hinaus, die nicht allein für sich stehen — oft sind sie Bilanzen größerer Projekte, deren Reste mehr denn Summen. Die zum Teil spektakulären Aktionen, welche Huyghe mit »La Toison d’or« (1993), »Streamside Day« (2003), »The Host and the Cloud« (2010) oder »Untilled« (2012) inszenierte, dienen primär der Produktion dieser Reste. Sie bringen Filme, Objekte, Installationen hervor, die man kaufen und ausstellen, später dann zu etwas Neuem arrangieren kann.

 

So, zumindest, erlebt man die Pierre-Huyghe-Ausstellung im Museum Ludwig: Wie eine merkwürdige Mischung aus Asservatenkammer, Archiv und Edelschuttablage, wo die Einzelarbeit nichts gilt, der Gesamteindruck alles. Man stromert durch einen vor sich hin wuchernden Organismus, der strategisch durchsetzt ist mit Leben — Human, der dOCUMENTA (13)-Hund mit dem pink gefärbten Bein, mag einem über den Weg laufen, oder ein Mensch mit einer strahlenden Buchmaske vor dem Gesicht, wie man sie in »The Host and the Cloud« (2010), dem Film zur gleichnamigen Aktion, zu sehen bekommt. Konzentriert schauen kann man allerdings kaum: Die Ausstellung ist als Irrgarten mit Vergnügungsparkaspekten konzipiert — ein Parcours, den es zu bewältigen gilt.

 

Der Kuratorin Katia Baudin scheint vor allem daran gelegen, dass man die Parallelen zwischen den verschiedenen Projekten wahrnehmen kann, wie sich bestimmte Interessen weiterentwickeln oder Motive ausdifferenzieren. Was das Ganze zu einem zerebralen bis akademischen Unterfangen macht, dessen Großkünstlerpathos einem schwer retro und manchmal ein wenig leer vorkommen kann. Mit der spielerischen Intelligenz von Huyghes Schaffen der 90er Jahre hat das nur wenig gemein.