Wie Greta Garbo im magischen Licht

Alice Rose spielt Pop fernab kleinbürgerlicher Konventionen

In der Hauptstadt wird über zugezogene Skandinavier, die sich künstlerisch verwirklichen wollen, schon gewitzelt, in Köln sind sie eher rar gesät. Alice Rose hingegen hält es in der Domstadt schon seit 13 Jahren aus. Mit ihrem dritten Album »Each Is A Dream« will es die Dänin nun aber richtig wissen, lässt ihren ehemals avantgardistisch angehauchten Drama-Pop hell erleuchten und überzieht ihn bisweilen mit einer ordentlichen Portion Zuckerguss.

 


Köln gilt nicht gerade als Mekka für skandinavische Musiker. Was hat dich 2001 hierhin verschlagen?

 

Ich war zuvor zwei Jahre in Berlin und fünf Jahre in Prag. Ich bin dann wegen meiner Tochter nach Köln gezogen, ihr Vater wohnte hier. Es hing nicht mit der Kunst zusammen. Ich hab zwar an der Kunsthochschule studiert, hatte mit der Musik aber immer viel mehr in Holland und Skandinavien zu tun. In Köln haben sich die Leute damals ja nur für Techno interessiert, das war etwas unbefriedigend. Ich hab auch gar nicht probiert, hier so viel zu machen. Jetzt bin ich noch immer hier,  langsam wird es leichter.

 

Siehst du dich inzwischen als Kölner Musikerin?

 

Das ist ein schwieriger Begriff. Ich versteh darunter eher Karnevalsmusik und Lokalpatriotismus. In diese Elektronikszene, für die die Stadt steht, passe ich halt nicht richtig rein, weil das, was ich mache viel zu emotional und songwritermäßig ist. Ich wohne hier seit 13 Jahren, klar hat das einen Effekt, aber für meine Musik gibt es hier keine Community. Viele meiner Freunde von der KHM sind nach dem Studium nach Berlin gegangen, sie wollen halt nicht etwa der einzige asiatische, schwule Filmemacher in Köln sein. Die Technoszene hier ist etwas kleinbürgerlich. Lange Zeit durfte ich z.B. nicht auflegen, da ich die Software Ableton Live verwende, das sei ja nicht echt. In den letzten zwei,drei Jahren entwickelt sich aber etwas, das in Holland und Frankreich schon lange läuft.

 

Und wie kommst du generell mit Deutschland klar?

 

Die deutsche Kultur ist ja zugleich geprägt von Systematik und Chaos, es gibt einerseits diese traditionellen Werte, aber zugleich ist es so chaotisch wie nirgendwo anders. Oft werden Systeme etabliert, die so kompliziert sind, dass keiner durchblickt. Die deutsche Kultur, wie sie einmal war, gibt es gar nicht mehr, es herrscht in Wirklichkeit eine große Vielfalt. In Dänemark geht es generell sehr viel lockerer zu, es gibt keine Formsprache, kein Siezen, keine Anrede mit Nachnamen.

 

Mit deinem neuen und dritten Album holst du zum großen Schlag aus. Es wirkt sehr poppig und leicht und weniger arty als die Vorgänger.

 

Das Album ist in einem Zeitraum von fünf Jahren entstanden, dazwischen hatte ich »Mora With The Golden Gun« geschoben, obwohl ich dieses Album eigentlich davor hatte machen wollen. Ich hatte »Each Is A Dream« als Ausgleich zu meiner dunkleren Seite geplant, mein Anspruch war, dass es knallen sollte. Gleichzeitig sind aber auch tiefergehende, berührende Sachen dabei. Es ist auf jeden Fall die persönlichste Musik, die ich je gemacht habe. Zuvor habe ich ja mit Kunstfiguren gearbeitet.

 

Wie lief der Entstehungsprozess?

 

Es war tierisch viel Aufwand. Früher habe ich immer alles ganz allein gemacht, jetzt waren viele Menschen und Produzenten involviert, etwa John Parrish, der schon PJ Harvey produziert hat, mit ihm habe ich in Bristol ein paar Stücke aufgenommen. Mir war wichtig, dass der Sound nicht so steril wirkt, sondern eher wie mit Staub bedeckt klingt. Man kann heute alles HD-mäßig sauber machen, aber ich mag das gar nicht, wenn man jede Pore sieht. Ich will lieber Greta Garbo im magischen Licht sehen, eine Illusion. So geht es mir auch mit der Musik, es ist geil, wenn sie etwas Analoges, Warmes hat.

 

Trennst du inzwischen deine elektronische und deine akustische Seite eher voneinander?

 

Alice Rose hat sich weiterentwickelt. Ich habe herausgefunden: Wenn ein Song den vollen Impact haben soll, dann muss ich keine Regler schieben und Knöpfe drücken, dann will das Publikum die Vermittlung des Liedes. Da geht es eher um eine Herzensverbindung, es wird etwas weggenommen, wenn ich als Sängerin und Erzählerin die ganze Zeit mit anderen Dingen beschäftigt bin. Wenn ich hingegen selber Techno- oder House-DJ-Mixe und Produktionen mache, reizt mich daran etwas anderes, das Ungewöhnliche, die Leute mit auf eine Traumreise zu nehmen. Da geht es viel mehr um Fantasie. Es wird sich aber zeigen, wohin das alles noch führt. Ich bin keine Strategin, leider, denn viele herausragende Künstler sind auch herausragende Strategen.

 

Wie wichtig ist kommerzielle Erfolg, auch als Motivation, um weiter Musik zu machen?

 

Mein Anspruch an mich als Musikerin ist, dass es kein Hobby ist. Da ist jede Arbeit, die man noch machen muss, um Geld zu verdienen, einfach lästig. Ich habe es bislang geschafft, die Musik zur zentralen Sache in meinem Arbeitsleben zu machen, natürlich würde ich sehr gerne davon komplett leben können. Ich möchte einfach weitermachen, damit das Universum expandiert.

 

Interview: Oliver Minck

 


Album: »Each Is A Dream« (Manual/Nova MD)