Gute Absichten — guter Tanz

Das »Flow Dance Festival« gönnt dem Tanz in Köln endlich die verdiente große Dimension

Köln soll wieder ein internationales Tanzfestival bekommen. So steht es im Tanzentwicklungsplan. Der war vor drei Jahren im Nachgang zum offiziell verabschiedeten Kölner Kulturentwicklungsplan von der hiesigen Tanzszene gemeinschaftlich veröffentlicht worden, unter der redaktionellen Leitung von Regisseur Achim ­Conrad und dem Choreografen Klaus Dilger.

 

Um die Impulse daraus aufzugreifen, haben die beiden ein eigenes Label gegründet: SEEdance. Gemäß dem Namen nach will es »sehen und säen«, »die Sichtbarkeit von Tanz verbessern« wie Conrad und Dilger sagen. Während die zwei Tanznetzwerker damit schon umtrie­big im Internet das Portal »Tanzweb.org« mit Fokus auf NRW betreiben, stemmen sie offline jetzt das »Flow Dance Festival — Tanz am Strom«. 2005 firmierte das letzte gro­ße, internationale Tanzfestival in Köln unter dem Namen »d.a.m.p.f.«. Beim »Flow Dance« werden sich Temperaturen und Aggregatzu­stän­de des zeitgenössischen Tanzes wohl eher verändern und verformen.

 

»Es verbindet und bildet ab, was in Köln und Bonn an Tanz da ist«, erklärt Achim Conrad, »die Gastspiele an den städtischen Bühnen ebenso wie die Produktionen der Freien Szene, die hiesigen Strukturen und Akteure.« Wichtig sei, dass das Festival »jenseits der Schranken zwischen städtischen Theatern und freien Künstlern« stattfinde. Hannah Koller, Tanzkuratorin an den Kölner Bühnen, nennt Conrad eine wichtige Partnerin: »Wir sprechen auf Augenhöhe«. Aber auch am Theater Bonn habe man die beiden Männer mit offenen Armen empfangen.

 

Vielleicht brauchen die Tanzgastspielreihen nicht unbedingt Extrareklame, doch dem neuen Festival stehen deren große Titel gut: Israel Galvans furioses Tanz-Musik-Drama »Lo Real«, das Fla­men­co und Hitler (!) verbindet und das Diptychon »Lux/Glory« des berühmten Ballet du grand théâtre de Génève. Auch das Forum Leverkusen wäre gerne dabei, doch dessen lange im Voraus fixierten Tanzgastspiele passten nicht in die zeitliche Klammer des Festivals, so Conrad. Dafür ließ sich die Reihe »Tanzrecherche NRW« des Kultursekretariats in Wuppertal mit einbinden, deren Künstler eine Uraufführung beisteuern: Die hinreißenden französischen Tänzer Christophe Béranger und Jonathan Pranlas-Descours, die sich »Sine Qua Non Art« nennen, zeigen »Exuvie«, eine unheimliche Wachslandschaft aus einer zähen Haut von Mensch und Boden; passend platziert bei Barnes Crossing, der alten Wachsfabrik in Sürth. Drei weitere Uraufführungen stehen im Programm sowie Previews binational erarbeiteter Choreografien, was die Verbundenheit mit Kollegen aus der Ferne deutlich demonstriert und ganz unterschiedliche Ästhetiken garantiert. Dazu gibt es spannende Sidekicks wie das Symposium über die mediale Gegenwart des Tanzes und twitternde Zuschauer sowie buchbare Begleitungen zu den Aufführungen, wie man sie aus den Kleinanzeigen der Stadtrevue kennt.
Mit dem geringen Etat aus Landesmitteln und Förderung der Kunstsalon Stiftung wollen die Organisatoren den Anfang markieren für ein zukünftig großes Festival. Die Entwicklungen lassen hoffen. Überhaupt scheint die Situation nicht mehr ganz so düster wie noch vor einem Jahr — zumindest für den Tanz an den Städtischen Bühnen. Nachdem zunächst der Etat für die Tanzgastspiele auf »Null« gesetzt werden sollte, beläuft er sich wieder jährlich auf 400.000 Euro plus Eintrittseinnahmen; das Budget ist bis einschließlich der Spielzeit 2019/20 eingestellt. »Jetzt gibt es Planungssicherheit«, erklärt Opernintendantin Birgit Meyer und fügt an: »Der Betrag sollte sich er­hö­hen. Wieder eine eigene Tanzcompagnie zu installieren, das wür­de Köln gut stehen und sollte als Gedanke nicht aufgegeben werden.«

 

Erstmals wird sich beim Gastspiel »Sacre« der berühmten Berliner Compagnie »Sasha Waltz & Guests« im Herbst das Gürzenich-Orchester einbringen. »Die Oper gibt eigene Kapazitäten dazu«, so Meyer weiter, »um mit einem großen Abend ein starkes Zeichen zu setzen, wie wichtig der Tanz ist.« Ihr Kollege vom Schauspiel, Intendant Stefan Bachmann, sieht den Tanz inzwischen nicht mehr nur als »Problemkind« an, eine dritte Sparte werde dieser aber erst wieder, wenn auch Produktionen entständen. Vier große Abende an seinem Haus und sieben kleinere der Gastspielreihe sowie eine neue Art der Vernetzung mit anderen Kölner Tanzinstitutionen sprechen dafür, dass es in der kommenden Spielzeit auf gutem Niveau weitergeht. »Eine Notlösung, aber eine schöne«, nennt es Bachmann.

 

Diese bislang äußerst erfolgreichen Gastspiele, gerne mal von den Kölnern mit Standing Ovations gefeiert, werden erfreulicherweise auch weiterhin von Dramaturgin Hannah Koller kuratiert, deren bereits über 15 Spielzeiten laufender Vertrag zunächst nicht verlängert worden war und jetzt entfristet ist.

 

Stromabwärts zieht Burkhard Nemitz die Fäden, allerdings jetzt von Oldenburg aus, wo er als Co-Direktor der Tanzsparte am Staatstheater designiert ist. Auch er präfe­riert eine Compagnie am Haus, selbst wenn sich die Gastspiele in Bonn fast selbst tragen: »So viel Geld, wie die Oldenburger für ihre zehn Tänzer ausgeben, haben die Bonner auch.« Zumal würden in der Sparte Oper immer auch Tänzer bezahlt. Nur wird sich wohl gerade Generalintendant Bernhard Helmich über die 3,5-Millionen-Sparvorgabe des Bonner Stadtrates eher die Haare raufen, als zu überlegen, eine Residenztruppe zu installieren. So bleibt der Tanz irgendwie im Fluss — mal tröpfelnd, mal rauschend.