»Männer, die auf die Pistole starren«

Schauspiel-Intendant Stefan Bachmann inszeniert eine brillante Farce

über den Ehrenmord

Vier Männer amüsieren sich über eine gewalttätige, absurde Anekdote. Ein Junger, bedacht auf größtmögliche Coolness, erzählt, ein Gleichaltriger verdreht die Augen. Der eine alte Mann unterbricht ständig und aus Prinzip, der andere lauscht unbewegt und gibt erst zum Schluss mit dreckigem Gelächter sein Urteil ab.

 

Ein erhellender Prolog für die folgenden Ereignisse. Er verrät viel über die Beziehungskonstellation dieser breitbeinigen Machos, die eine Show abziehen wie Paviane auf dem Felsen, während die Frau in der anderen Ecke des Bühnencontainers (Karin Beiers »Schmutzige, Hässliche und Gemeine« lassen grüßen) schweigend den Kopf schüttelt. Man hat sich prima eingelacht zu der geschmeidig performten Mischung aus Mafiafilm und Tarantino-Farce, als es zur erschütterndsten Szene des Abends kommt.

 

Wofür sich die Kerle hier warm­laufen, das ist ein sogenannter Ehren­mord. »Die Hure«, wie die Ehefrau, (Schwieger-)Tochter und Schwester von den Anwesenden bloß genannt wird, harrt unsichtbar im Nebenraum ihres Schicksals. Den Stecher hat der Gatte bereits erledigt, jetzt wird noch diskutiert, wer die Untreue erschießt. Als sich die Männer genug aufgepeitscht haben, stürzt der Vater nach nebenan und verprügelt im Off die Tochter mit dem Gürtel. Wie die Mutter schluchzt, das Opfer vor Schmerz und Angst schreit und sich das Schlimmste im Kopf abspielt, wird es still im Publikum.

 

Es bleibt der einzige Moment in Ibrahim Amirs »Parallelgesell­schafts­­komödie«, der explizit nicht komisch ist und in dem sich die Ent­setzlichkeit des Themas ballt. Danach steigert sich das Stück immer mehr zu einem einzigen großen Comic Relief. Den Schrecken wegzulachen funktioniert wie am Schnürchen, der Text des syrischstämmigen Autors schnurrt nur so dahin. Regisseur Stefan Bachmann zündet temporeich und souverän das Arsenal des Boulevards inklusive Türenknallen, Hysterie und Überraschungsauftritten. Das En­semble spielt über die kompletten 90 Minuten in Topform. Die Zuschauer schmeißen sich weg und spenden begeistert Premierenapplaus.

 

Und doch. Am Ende bleiben Fragen unbeantwortet, die sich schon vorab stellen. Darf man über »Ehrenmord« lachen? Und wenn ja: Was ist damit gewonnen? Dass das Lachen funktioniert, hat die gelungene Inszenierung bewiesen. Urteil und Haltung überlässt Bachmann dem Publikum. Das ambivalente Gefühl des Amüsements über kriminelle Realität und Migrantenklischees entsteht im eigenen Kopf.