Glamour war gestern

Früher waren die Kölner Ringe gesäumt mit Kino-Palästen, daran erinnert nur noch wenig — doch in der Nähe tut sich etwas

Die glorreichen Zeiten lassen sich bloß noch erahnen. An der Fassade des Möbelgeschäfts am Hohenzollernring 79-81 gibt es noch die kleine Leuchtreklame mit dem Schriftzug »Capitol«. 1928 eröffnete hier das gleichnamige Stummfilmkino mit 2000 Sitzen — das Kino 4 im Cinedom fasst heute gerade einmal 705 Kinogänger. Historische Fotos zeigen einen imposanten holzgetäfelten Saal mit mehreren Emporen übereinander und spektakulären rumdumlaufenden Leuchtbändern.

 

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Filmpalast zerstört, aber wenige Jahre später von Hans Herbert Blatzheim wiedereröffnet, inklusi­ve einer »Milchbar«, Tiefgarage und Autopflegedienst. Der Groß­gas­tro­nom und Unternehmer war zu der Zeit mit der Schauspielerin Magda Schneider verheiratet und somit Stiefvater von Romy Schneider.

 

Die Kölner Ringe besaßen damals noch Glamour. Zu Premieren kamen neben Mutter und Tochter Schneider auch mal Brigitte Bardot. 14 Kinos buhlten zwischen Hohenstaufenring und Kaiser-Wilhelm-Ring in der zweiten Hälfte der 50er Jahren um die Gunst des Publikums. Auf die wenigen hundert Meter kamen also mehr Lichtspielhäuser als heute über die gesamte Stadt verteilt sind. Sechzig Jahre später erscheinen die Zahlen gigantisch: 84 Kinos mit insgesamt 43.839 Sitzen spielten 1956 Abend für Abend Filme für gerade einmal 700.000 Kölner. Neben Berlin galt Köln als die Stadt mit den meisten Kinobesuchen pro Einwohner — heute haben nur die Städte im Ruhrgebiet und in Ostdeutschland schlechtere Zahlen.

 

Das Verdienst, die Geschichte der Kölner Kinos wach zu halten, gebührt der Initiative »Köln im Film«, die seit 15 Jahren zum Thema forscht und ihre Ergebnisse auf der Internetseite koeln-im-film.de ­präsentiert. Im kommenden Jahr soll auch ein Buch erscheinen. Marion Kranen und Irene Schoor von »Köln im Film« bieten außerdem regelmäßig Führungen entlang der Ringe an, die Kinolieb­haber nostalgisch werden lassen. Vor den nichtssagenden, heruntergekommenen Fassaden mit Imbissen, Spielhallen und Erotik-Shops im Erdgeschoss referieren sie über Kinos mit klangvollen Namen wie Hahnentor-Lichtspiele, Scala oder Astor, die hier einst täglich tausende Zuschauer lockten.

 

Von den ehemals mehr als ein Dutzend Kinos auf der Amüsiermeile sind heute nur zwei übrig geblieben: Zum einen ist da das »One Dollar House« Rex am Ring, das den verfallenen Charme eines 70er-Jahre-Schachtelkinos besitzt und donnerstags schon für vier Euro Erstaufführungen zeigt. Und zum anderen gibt es das Residenz, das mehrere Jahre als als Fernsehstudio genutzt wurde und dann 2012 als Luxus-Kino wiedereröffnete: top renoviert, mit Ledersesseln, viel Beinfreiheit, bester Technik und Bedienung, wofür dann am Wochenende bis zu 16 Euro pro Karte gezahlt werden müssen. Wie in einem Zerrspiegel wird hier die gesamtgesellschaftliche Entwicklung reflektiert. Überspitzt formuliert: Es gibt ein Kino für Reich und eins für Arm; die Mitte dagegen ist verwaist.

 

Den traurigsten Anblick aller ehemaligen Kinos bietet momentan der ehamlige Ufa-Palast, später Film-Palast, am Hohenzollernring 22–24. Das 1931 eröffnete Lichtspielhaus des großen Kölner Architekten Wilhelm Riphahn bot knapp 2000 Besuchern im großen Saal Platz. Heute ist das ehemalige Kino mit großen Stahlplatten verbarrikadiert, um Obdachlose fernzuhalten, die nach der Schließung 2010 im Eingangsbereich Unterschlupf suchten. Laut Stephan Paffenholz vom Amt für Wirtschaftsförderung der Stadt Köln steht die Immobilie momentan zum Verkauf. Es gebe Interessenten mit unterschiedlichen ­Vorstellungen, darunter auch aus dem Kinobereich. Entscheidend sei für den Eigentümer aber der gebotene Kaufpreis.

 

Nicht weit vom ehemaligen Ufa-Palast verrottet schon seit ­Jahren das ehemalige Theater am Rudolfplatz, das während des Booms Mitte der 50er Jahre eröffnet und bis 1995 als Kino genutzt wurde. Die Stadtsparkasse Köln hat die Immobilie mit drei weiteren auf dem Gelände im Januar an private Investoren verkauft. Die Stadt will das gesamte Areal möglichst bald neu gestalten, Teile des Kinos stehen allerdings unter Denkmalschutz.

 

Doch es gibt auch eine gute Nachricht für Kinogänger in Köln. Noch im Sommer sollen am Mauritiussteinweg, zwischen Ringen und Neumarkt, in der ehemaligen Lupe 2 die Projektoren wieder laufen. 1968 von Filmverleiher Walter Kirchner eröffnet, war das Kellerkino lange Zeit in Köln die einzige Adresse, an der man sich ganz der Filmgeschichte verschrieben hatte. Viele Regisseure, Verleiher und Journalisten haben hier ihre filmische Grundbildung bekommen, bis 2005 das Kino schließen musste.

 

Die Initiative für die Neueröffnung kam nicht aus der Filmszene: Michael Tromp, Besitzer der Tapas-Bar Jonny Turista ein paar Meter die Straße herunter hat mit viel Engagement den Saal komplett umgebaut. Tromp will hier neben einem Kinobetrieb auch Konzerte und Lesungen veranstalten (mehr dazu in einer der kommenden StadtRevue). Vielleicht war es im nachhinein gut, dass er keine Kinoerfahrung hat: Angesichts von Brandschutzbestimmungen, vielen weiteren Auflagen und den langwierigen Auseinandersetzungen mit Förderanträgen kommt er bei einer Besichtigung der Baustelle ins Grübeln: »Wenn ich vorher gewusst hätte, was auf mich zukommt, hätte ich vielleicht die Finger von dem Projekt gelassen.« Aber jetzt will er seinen Plan auch umsetzen. Damit werden in Köln ab dem Sommer wieder ein Dutzend Kinos täglich spielen — ungefähr so viele wie Ehrenfeld in den 50er Jahren.