»Man muss sein eigenes Ding machen«

Die Kölner Eva Blondiau und Elmar Imanov waren dieses Jahr mit ihrem Kurzfilm »Torn« in Cannes eingeladen — ein Gespräch über Festivals, Filmschulen und Fernsehredakteure

Frau Blondiau, Herr Imanov, Sie haben beide 2012 schon einen Studenten-Oscar für »Die Schaukel des Sargmachers« bekommen. Wie ist es, als junger Regisseur einen Film in Cannes im Programm zu haben?

 

Imanov: Ich war eine Woche in Cannes sehr krank und fühlte mich wie unter Drogen. Leider gab es keinen richtigen Austausch mit anderen Filmemachern, was sinnvoll wäre für ein Festival. Ansonsten fand ich alles ein bisschen elitär. Aber vielleicht muss das sein, damit nicht alles überrannt wird.

 

 

Wie ist es aus Sicht der Produzentin?

 

Blondiau: Ich habe relativ viele Leute kennengelernt. Dass der Film gezeigt wurde, war natürlich ein Türöffner.

 

Imanov: Es wird auf jeden Fall etwas bringen, dass unser Film dort gelaufen ist. Auch weil wir gerade das Langfilmdebüt von Engin Kundag produzieren, dem Ko-Regisseur von »Torn«. Da wir als Team schon einen Erfolg haben, hilft das bei der Finanzierung. Vielleicht können wir den Film dann wieder in Cannes platzieren. Sie werden auf jeden Fall interessiert sein, ihn anzuschauen. Engins Abschlussfilm lief auf der Berlinale. Das ist für uns eine super Ausgangsposition, dass er schon auf zwei A-Festivals vertreten war.

 

Sie haben beide an der Internationalen Filmschule in Köln studiert, die kommerzieller ausgerichtet ist als die Kunsthochschule für Medien. Gibt es da Probleme, wenn man »Festivalfilme« dreht?

 

Imanov: Auf jeden Fall. Ich weiß nicht, wer wem Probleme gemacht hat, wahrscheinlich beide einander. Das war nicht einfach. Ich wurde ja rausgeschmissen aus der Schule und dann wieder eingeladen?...

 

Warum?

 

Imanov: Das ist eine lange Ge--schichte, die ich nicht ausbreiten möchte (lacht). Das war schon eine besondere Erfahrung, gegen so eine Maschine zu sein, die bestimmte Regeln hat. Im Endeffekt versucht man einfach nur seinen Film so durchzukriegen, wie man ihn machen will. Man muss jemanden finden, der einem hilft. Das war bei unserem und auch bei Engins Abschlussfilm so. Ich glaube, auch für die Schule war es nicht einfach. Die waren froh, als wir raus waren.

 

Was waren die positiven Seiten?

 

Der Vorteil der ifs ist, dass man lernt, professionell zu arbeiten: Deadlines einhalten, mit Strukturen umgehen, mit wenig Zeit klarkommen. Man wird nicht einfach so hineingeschmissen nach dem Motto: »Du hast jetzt fünf Jahre, um deinen Film abzuliefern, mach was du willst«. Das erfordert, dass man sich selbst organisiert. Da ist es einfacher, es gibt Produzenten und eine Herstellungsleitung. So wird einem auch die Angst genommen, mit einem großen Team zu arbeiten. Was man dann daraus macht, ist am Ende jedem selbst überlassen. Wir haben gemacht, was wir wollten. 

 

Wie sieht es bei den Produzenten aus?

 

Blondiau: Für die Produzenten finde ich die Ausbildung an der ifs sehr gut. Wir haben sehr viel mitbekommen aus allen Bereichen, sehr viele Leute kennenlernen können, Stoffe entwickelt und vor allem gelernt, im Team zu arbeiten. Das wird an anderen Filmschulen nicht unbedingt so geschult. Was ich von da auch mitgenommen habe, ist: Kritik akzeptieren zu können. Ich glaube, ein Emanzipationsprozess gehört am Ende dazu. Man muss einfach irgendwann sein eigenes Ding machen. 

 

Herr Imanov, Sie haben bislang in erster Linie in Aserbeidschan gedreht, wo Sie geboren wurden, sehen Sie ihre Geschichten auch in Zukunft dort?

 

Imanov: Nein, nicht unbedingt. Wenn ich dazu bereit bin, werde ich auch einen Film in Deutschland drehen. Aber ich glaube, das wird schwierig. In Aserbaidschan sieht man sofort, was schiefläuft. In Deutschland muss man die Probleme erst mal sichtbar machen. Das schaffen nicht viele. Der deutsche Film ist ja nicht unbedingt der Trendgeber.

 

Es gibt gerade die Diskussion, ob die deutsche Literatur nur die Sicht der hier geborenen Mittelschicht zeigt, da aus ihr die große Mehrzahl der Autorinnen und Autoren stammt. Gilt das auch für den deutschen Film?

 

Auf jeden Fall. Wenn man hier das erste Semester einer Filmschule besucht, kann man es schwerlich aushalten. Die Leute verstehen sich als Elite und sie werden als solche auch von den Dozenten behandelt. So denkt man dann und geht den sicheren Weg, weil man sicher aufgewachsen ist und sicher weiterleben will. Das ist auch einer der Faktoren, warum ich es so schwer finde, in Deutschland einen Film zu machen. 

 

Was sind die Schwierigkeiten

 

Blondiau: Ich wünschte mir, dass man unabhängiger von Fernsehsendern werden könnte. Im Moment ist das für mich ein Berg, wo ich nicht weiß, wie man den erklimmen kann. Überhaupt an die Leute ranzukommen, ist schon ein Akt — wenn man nicht gerade einen Film in Cannes hat. Da Redakteure viel Einfluss auf den Inhalt eines Filmes nehmen, will man jemanden finden, der oder die versteht, was man machen will. Das ist aber sehr schwierig.

 

Momentan drängen viele Streaming-Dienste mit eigenen Inhalten auf den Markt. Wäre das eine Alternative?

 

Blondiau: Wir sagen zu nichts nein. Wir sind nicht die Generation, die noch das lineare Fernsehen nutzt. Es gibt sehr wenige Sendungen, die man sich noch angucken würde und wenn, dann kann man das in der Mediathek tun. Aber ich hoffe, dass wir mit unseren Filmen auch wieder mehr jüngere Leute ins Kino locken können.