Du sollst dir ein Bild machen

Bevor das Museum Ludwig im Herbst mit »Ludwig goes Pop« jene prominenten Werke feiert, für die es weltweit bekannt ist, widmet es ab Ende Juni gleich zwei groß angelegte Ausstellungen seiner fotografischen Sammlung. Der 175. Geburtstag der Fotografie bietet schließlich guten Anlass, das Medium neu zu befragen.

»Das Museum der Fotografie: Eine Revision« ist zugleich die erste Ausstellung von Miriam Halwani, der neuen Kuratorin für Fotografie vom 19. Jahrhundert bis 1960. Sie geht der Frage nach, ob die Fotografie ein eigenes Museum braucht und schöpft aus dem Nachlass des Sammlers Erich Stenger (1878–1958), der heute Teil der Fotografischen Sammlung des Museums ist. Stenger hatte bereits früh für ein eigenes Museum der Fotografie plädiert. Sein Ansatz hat mit den heutigen Kriterien von Sammlern allerdings wenig gemein. Er wollte eine Enzyklopädie der Fotografie aufbauen und sammelte entsprechend »Belege« aus rund hundert Anwendungsgebieten — von der Architektur- und Landschaftsfotografie über Porträts, Flieger- und Unterwasseraufnahmen, als Schmuckstücke eingefasste Bildnisse, Zauberfoto-grafie bis zu Karikaturen auf das Medium. Heute dagegen stellt sich ganz pragmatisch die Frage: Wie möchte — muss? — man als Museum im 21. Jahrhundert mit diesen Objekten umgehen? 

Halwanis Kollegin Barbara Engelbach hat in eine andere Richtung geforscht: »Unbeugsam und ungebändigt — Dokumentarische Fotografie um 1979« beschäftigt sich mit dem Beginn der sogenannten Krisenjahre, deren Auswirkungen die weltweiten ökonomischen und politischen Krisenjahrzehnte bis heute prägen. Fotografie wird zum Medium der Langzeit-Dokumentation. Im Mittelpunkt steht deshalb nicht das Einzelbild, sondern präsentiert werden 15 Serien von Boris -Mikhailov, Candida Höfer, Thomas Ruff, Joachim Brohm oder David Goldblatt. Dabei wird streng darauf geachtet, unter welchen Bedingungen und zu welchem Zweck die Aufnahmen entstanden.

 

Der Ausstellungstitel geht übrigens auf Roland Barthes’ Standardwerk zur Fotogrfie-Theorie »Die helle Kammer« (1979) zurück. Dort spricht er nicht nur von der Zähmung, sondern auch vom »Erwachen der unbeugsamen Realität« in der Fotografie.