Eine Wand macht noch keinen Raum

Galeristin Anne Scherer feiert in ihrem Buch die Street Art Cologne

Das wurde aber allerhöchste Eisenbahn, zumal die Zeiten reinen Train- und Streetbombings längst vorbei sind: die erste Dokumentation über Street Art in Köln. Street Art ist das neue Graffiti — zumindest, wenn man Anne Scherer, Autorin des Buchs »Street Art Cologne« folgen mag. Warum sollte man auch nicht, schließlich zeigt »Die Kunstagentin« in ihren Räumen regelmäßig international bekannte Künstler der Szene und kuratierte die erste Ausgabe des Cityleaks Festivals 2011.

 

Mit ihrem Buch rennt Scherer selbstgeöffnete Türen ein, lässt jedoch die Wände stehen — diese sind immer noch Hauptträgermedium der ausgewählten Arbeite. »Murals« nennt man die mal klein-, mal großflächigen, meist bunt gehaltenen Gemäuer-Gemälde, die heute in fast allen Großstädten der Welt zu finden sind. Die Weichenstellung, die das Team um Anne Scherer und Iren Tonoian für diese Kunstform in Köln geleistet hat, ist nicht zu verachten. 

 

Nach einer kurzen Einführung in Konzept und Begrifflichkeiten ist der Hauptteil des Buchs Wandwerken, sortiert nach Stadtteilen, gewidmet. Große Abbildungen werden durch Begleittexte ergänzt, die die Künstler vortellen — soweit möglich, denn auch Street Art ist, so sie nicht mit Genehmigung ausgeführt wird, illegal — und die Entstehung schildern. 

 

Hier zeigt sich auch ein Problem der lokalen Gegebenheiten (nicht unbedingt des Buches): Rund zwei Drittel der Arbeiten stammen von auswärtigen Künstlern, die auf Einladung von Cityleaks in Köln an zur Verfügung gestellten Flächen arbeiteten. Das ist Dekoration, aber keine Intervention. Dabei ist es doch der Aspekt des eigenmächtigen, »selbst autorisierten Publizierens«, wie es einmal der Hamburger Street-Art-Pionier Stefan Marx nannte, der die Kunstform kennzeichnen sollte. 

 

Für Kenner der Szene bietet Scherers Buch wenig Neues — jenen sei eher Julia Reineckes Werk »Street-Art. Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz« (transcript Verlag, 2007) empfohlen. Hervorragend eignet es sich aber für Einsteiger, praktische Karten im Klappenumschlag weisen den Weg beim Street-Art-Spaziergang. Vielleicht werden so aus Konsumenten dereinst selbst Produzenten. Ein bisschen mehr Farbe und Intervention stünde unserer Kunststadt nicht schlecht zu Gesicht. Das Betreten der Beete bleibt natürlich trotzdem verboten.