Mein Haus, mein Garten, mein Baumarkt

Wenn beim Fernsehen das Geld knapp wird, müssen eben »kreative Sonderwerbeformen« her. Das klingt viel besser als Schleichwerbung

Und jährlich grüßt das Medienforum. Rheinschiff, Domblick, Sonnenschein – zuversichtlich gaben sich Veranstalter und Branchenvertreter in den Kölner Messehallen, wähnten die Lektion der vergangenen Jahre gelernt und wagten wieder einen Blick nach vorn – kostendeckend und mit neuem Augenmaß, versteht sich. Weniger sollte mehr sein, wobei man eher an die Veranstaltungsstruktur als an die Besucherzahlen gedacht hatte, aber nun. Positiv fiel dennoch das Fazit der Verantwortlichen aus, und der Termin fürs Medienforum 2004 steht auch schon: 20. bis 22. Juni. Was aber nehmen wir mit in diesem Jahr?

Neues aus dem TV-Wonderland

»Was ist modernes Fernsehen?« fragte die Cologne Conference in einem ihrer Seminare und spannte den Bogen etwas weiter, als es die Scharmützel um Bundesligarechte und die zu »Berliner Thesen« aufgepumpten medienpolitischen Offenbarungen unseres MP Steinbrück nahezulegen schienen. Die Antwort hallte aus Großbritannien, dem aktuellen TV-Wonderland, nach Medien-Köln herüber: »Lifestyle made in Britain« ist die TV-Zauberformel der BBC: Kochen, Gärtnern und Heimwerkern on air, Designer, die zum Wettstreit antreten (»Room Rivals«) oder auch die Erfolgs-Show »Home Wasn’t Built in a Day«, in der innerhalb von 24 Stunden ein Haus gebaut wird.
Ein neuer Garten, eine neue Einrichtung, ein neues Leben – spielerisch inszeniert, kostengünstig produziert und mit überdurchschnittlichen Quoten: Eine prima Kombination, finden nun auch die deutschen TV-Macher. Bereits gekauft hat ProSieben die Rechte am BBC-Format »Do It Yourself – SOS«, das ab Mitte August am Nachmittag läuft. Hier eilen Profis in Not geratenen Heimwerkern zu Hilfe. Auch die »freundliche Unterstützung« der Baumärkte, gerne beiläufig ins Bild gesetzt, dürfte ein Scherflein zur guten Kostenstruktur der halbstündigen Boom-Formate beitragen. Könnte also sein, dass für hiesige TV-Macher der Weg demnächst ins benachbarte Wermelskirchen führt. Dort hat die Baumarkt-Kette OBI ihre Zentrale – mit einem Umsatz von rund 17 Mrd. Euro ein trefflicher Partner für die Realisierung der neuen Trend-Formate.

Showformate im Paket

Schleichwerbung, entfährt es da so manchem ganz altmodisch, doch gemach: auch das alles sehr modern. Denn neues, frisches Geld muss ran, da ist man sich einig im TV-Business. Gänzlich unmodern seien Sender, die auch weiterhin nur auf herkömmliche Serien und Filme und deren Finanzierung durch Werbespots setzen. Neue digitale Endgeräte wie Festplatten-Rekorder und moderne Set-Top-Boxen, so die Prognosen, ermöglichen es dem Zuschauer künftig, die Spots zu überspringen. Also hinein in die nebulöse Halbwelt von Schleichwerbung, Product Placement und Telefon-Mehrwert-Diensten. Noch nie zuvor, so beklagen die Medienwächter, waren Programm und Werbung so eng miteinander verzahnt wie heute. Dafür sorgen vor allem neue »kreative Sonderwerbeformen«, wie sie auch die Kölner Agentur OnScreen TV vertreibt. Das Unternehmen bietet Sendern neue Show-Formate gleich im Paket mit Gewinnspielen und Sponsorings an. Erfolgreich konnte OnScreen TV bereits den so genannten »Left Split« im Programm lancieren. Dabei läuft der Werbespot links im Bild, während der Zuschauer rechts die Sendung weiterverfolgen kann – so u.a. allabendlich in Stefan Raabs »TV total«, wenn der Applaus tost. Darüber hinaus wenden sich Markenartikler auch direkt an Produzenten, damit sie Serien oder TV-Movies um einzelne Produkte herum entwickeln.

Unmoralisches Angebot

Wie hartnäckig dieses Feld derzeit beackert wird, zeigten zuletzt die Vorwürfe gegenüber dem landesweiten Privatsender tv.nrw. Bezahlte Berichterstattung wurde ihm unterstellt, nachdem das Schreiben einer Münchner Agentur an ein NRW-Energieunternehmen bekannt geworden war. Darin wurde angeboten, »redaktionelle PR-Arbeit« auf tv.nrw und speziell in der Sendung »Countdown NRW« zu platzieren. Interessenten könnten »an einem oder mehreren Abenden in einem 45-minütigen Beitrag ausführlich vertreten sein«, möglicherweise diese Sendestrecke komplett thematisch gestalten. 15.000 Euro zzgl. MwSt würden dafür pro PR-Beitrag fällig. Doch sowohl tv.nrw-Hauptgesellschafter Georg von Auersperg wie auch Geschäftsführer Jörg Schütte versicherten, Angebot und Münchner Agentur gar nicht zu kennen. Die Offerte war offensichtlich kalt geschrieben worden, also ohne Absprache mit dem Sender.

Neues Geld für tv.nrw?

Indes, neue Werbekunden könnte der nach wie vor defizitäre Sender allemal gebrauchen. Zudem sucht er nach dem Ausstieg der WAZ-Gruppe und der Rheinischen Post nach neuen Gesellschaftern neben dem Kölner Verlag M. DuMont Schauberg, der an seinem Engagement bei tv.nrw festhält. Doch die Rettung ist möglicherweise nah: Offenbar hat die kanadische Mediengruppe Chum City Interesse an einem Einstieg bei tv.nrw – ein spektakulärer Coup: Chum City, gegründet und geleitet vom charismatischen TV-Visionär Moses Znaimer, betreibt u.a. das äußerst erfolgreiche Metropolen-Programm CityTV. Seit Gründung galt der innovative Sender als state-of-the-art im globalen TV-Biz.
Bislang, so ein Gutachten, habe tv.nrw die in seiner Lizenz verlangten Programmleistungen für die Bevölkerung in NRW allerdings nicht erbracht – ein Fehler, weil nur durch eine klare regionale Profilierung das im hiesigen Werbemarkt enthaltene Einnahmepotenzial ausgeschöpft werden könne. Vor allem gelte es, tv.nrw vom »Schmuddelimage« der nächtlichen Sex-Clips zu befreien – und statt dessen tatsächlich NRW-Aspekte nach vorn zu bringen.