Winterlicht und Neonschein

»Feuerwerk am helllichten Tage« von Diao Yìnán

Auf den ersten Blick wirkt am diesjährigen Gewinnerfilm der Berlinale vieles vertraut: zum Beispiel der Protagonist, der etliche Film-Noir-Vorbilder in Erinnerung ruft, wenn er in Suff und Einsamkeit versinkt und ihm die Ermittlungen in einer Mordserie zur Obsession geraten. Und die weibliche Hauptfigur, die als einziges Verbindungsglied zwischen diversen Morden buchstäblich eine femme fatale ist.

 

Als wir Kommissar Zhang kennenlernen, markiert ein Stelldichein in einem Hotelzimmer gerade das Ende seiner Ehe. Beim Versuch, zwei Mordverdächtige festzunehmen, wird er angeschossen, während zwei Kollegen sterben. Von diesen Tiefschlägen erholt er sich nicht, wie ein Zeitsprung über fünf Jahre zeigt. Was seine Misere interessant macht, ist, dass Regisseur Di?o Yìnán nur ahnen lässt, welche Schuldgefühle den Einzelgänger nach dem Ausscheiden aus dem Polizeidienst plagen. 

 

Die distanzierte Erzählperspektive ist auch Voraussetzung für die diskrete Faszinationskraft der weiblichen Hauptfigur. Wu gerät ins Visier der Kripo, als zwei ihrer Verehrer sterben. Di?o, der auch das Drehbuch verfasst hat, zögert den Moment, in dem man die scheue Frau erstmals zu Gesicht bekommt, lange hinaus — der taiwanesische Star Gwei Lun Mei verleiht ihr zudem eine betont zurückhaltende Präsenz. So bleibt das Paar seltsam fremd, während Zhang allmählich Wu verfällt und ihr zugleich das mutmaßlich mörderische Handwerk zu legen versucht. 

 

Das ist ebenso reizvoll wie die — zumindest aus westlicher Sicht — Fremdheit des andlungsorts: eine anonyme chinesische Großstadt, deren gigantische Industrieanlagen und vulgäre Amüsierbetriebe in blassem Winterlicht und grellem Neon erscheinen. Aus chinesischer Perspektive dürfte eher die Erinnerung an die Handlungszeit, 1999 und 2004, befremden, als sich das Land drastisch veränderte. Eine unsentimentale Nostalgie umweht das Geschehen, dem gelegentliche Kabinettstücke von Kamera und Schnitt sowie skurrile Details Akzente verleihen. Seine nachhaltige Wirkung verdankt dieser herausragende Film jedoch dem Eigensinn von Di?os Erzählung. Je mehr Lücken der Thriller lässt und je mehr Fragen er aufwirft, desto mehr wird man zur Anteilnahme animiert.