Schöne neue Immobilienwelt

»Göttliche Lage« von Ulrike Franken und Michael Loeken

Fast zehn Jahre ist es her, da waren Ulrike Franke und Michael Loeken für ihren Film »Losers and Winners« dabei, als eine Dortmunder Kokerei von chinesischen Arbeitern demontiert und zum Export in die Volksrepublik verpackt wurde. Es folgte »Arbeit Heimat Opel«, ein Film über sechs Auszubildende im von der Abwicklung bedrohten General-Motors-Autowerk in Bochum. Jetzt sind die beiden für den letzten Teil ihrer dokumentarischen Ruhr-Trilogie nach Dortmund zurückgekehrt, diesmal in den Stadtteil Hörde. Dort haben sie verfolgt, wie auf dem ehemaligen Gelände des Stahlwerks Phoenix eine Luxus-Wohnanlage samt künstlichem See gebaut wurde. Ein gigantisches Vorhaben, das die Filmemacher aus Witten von den ersten Werbetouren bis zur feierlichen Eröffnung mit Händels »Wassermusik« und Dallas-Darsteller Larry Hagman fünf Jahre lang begleiten.

 

Irgendwann stehen dann die ersten Villen im ehemaligen Arbeiterviertel, das längst zum Arbeitslosenviertel geworden ist und an vielen Stellen dementsprechend verwahrlost aussieht. Planer und Vermarkter von der städtischen Entwicklungsgesellschaft setzen auf Aufwertung und haben blumige Werbeslogans für ihre Modellhäuser mit Terrassenpools im Toskana- und Bauhaus-Stil entworfen. In der Realität muss der Wachschutz dafür sorgen, dass das Badeverbot eingehalten wird und die Arbeitslosen der Umgebung oder feiernde Jugendlichen nicht die propere Uferpromenade annektieren. Wohnen wird hier von den eingesessenen Hörder Bürgern niemand. Und mancher Neueigentümer hatte sich seine Immobilie großzügiger vorgestellt.

 

»Göttliche Lage« ist ein Heimatfilm über postindustrielle Lebenswelten im Ruhrgebiet, die auch für andere Orte der Republik stehen könnten. Dabei lassen die Filmemacher die Dinge für sich sprechen, was angesichts der bizarren Kontraste gut gelingt — und ziemlich lustig sein kann. Lakonisch ins Bild gesetzter Running Gag sind dabei einige ungeplant eingewanderte Wasservögel, die den Phoenix-See bald zu ihrem Brutplatz machen und das künstliche Ökosystem stören: Das gibt Beratungsbedarf bei Bauherren und Ordnungshütern. Es sind vor allem solche erstaunlich offenen Einblicke in den sonst verschlossenen Kosmos der Planer und Macher, die den Film zu einem grauslichen Lehrstück in marketing-orientierter Entscheidungsfindung machen.