Andra Ursuta: Scytheseeing

Der »Schnitter Tod« ist der zentrale Protagonist in Andra Ursutas Ausstellung »Scytheseeing«. Der große Ausstellungsraum ist erfüllt vom Geruch der Heuballen, die im Raum verteilt sind und eine Struktur bilden, die kleinere skulpturale Arbeiten birgt.

 


Als makabre Begrüßung hängt in der Nähe des Eingangs eine Schlinge an einem Luftballon von der Decke herab. Der Versuch, sich hier zu erhängen, würde slapstickhaft fehlschlagen, Samuel Becketts Ermutigung »Besser scheitern« kommt in den Sinn. Dem Motiv der Schlinge begegnet man später erneut in dem puppenstubenhaften Nachbau eines Raumes, in dem sich ein Verwandter Ursutas umgebracht hat.

 


Das Raummodell und die Heuballen sind Reminiszenzen an das bäuerliche Umfeld, in dem die 1979 in Rumänien geborene, seit Langem jedoch in New York lebende Künstlerin aufwuchs. Eine riesige geballte Faust aus Textilien, die sich immer wieder aufbläht und in sich zusammensackt, dient als Sinnbild des untergegangenen Ceau?escu-Regimes und phallokratischer Macht im Allgemeinen.

 


Autobiografische Momente sind ein Leitmotiv von »Scytheseeing«. Der Titel, den man mit »Sensesehen« übersetzen könnte, verweist nicht nur buchstäblich auf die Sense, die in der rumänischen Landwirtschaft häufig zum Einsatz kommt. Er spielt offenkundig mit dem Begriff Sightseeing und daher möglicherweise mit klischeehaften Erwartungen, mit denen die Kunstwelt auf Künstlerfiguren mit Migrationshintergrund blickt: Erwartungen, die Ursuta mit finsterem Humor gleichzeitig bedient und aufmischt.

 


Etwa in »Ass to mouth«, einem langen, an einer Wand lehnenden Spieß, der nicht nur die berühmte »Endlose Säule« des rumänischen Bildhauers Brancusi zitiert, sondern auch an Fürst Draculas Vorliebe für Pfählungen erinnern soll. Doch auch der buchstäbliche Westküstenhumor von Bruce Naumans Körperabguss »Hand to mouth« findet hier ein passendes Echo. Ursutas in Kunst transformierte Albträume übersteigen vielfach nationale Grenzen. Am deutlichsten vielleicht in »Crush« (englisch für »Schwärmerei«), einer von der Wucht männlicher Obsession zermalmten Frauengestalt.