Auf Wiedersehen in Beirut

Die Kölner Künstlerin Doris Frohnapfel war als Stipendiatin drei Monate im Libanon. Was macht man dort eigentlich?

Gerade noch rechtzeitig vor der großen Hitze ist sie wieder in Köln. Und freut sich über den Regen. »Schon ab Mitte Juni hat es rund 30 Grad, mit dem vielen Verkehr dort werden es schnell mal 40«, erzählt Doris Frohnapfel. »Jeder scheint da mindestens ein Auto zu haben. Der Lärm ist anstrengend, außerdem wird auch noch an jeder Ecke gebaut.«

 


Beirut boomt und verändert sich, eine besondere Herausforderung für die Künstlerin, die sich in ihrer Arbeit mit Themen wie Stadtentwicklung und Architektur auseinander setzt. Vor einigen Jahren war Frohnapfel, die auch das Programm des Ausstellungsraums kjubh verantwortet und acht Jahre an der Kunstakademie im norwegischen Bergen unterrichtet hat, schon einmal in Beirut und hat dort künstlerische Arbeiten entwickelt. Sicherlich auch ein Grund, das Stipendium »Kunst und Dokument« an sie zu vergeben. Der dreimonatige Aufenthalt in Beirut ermöglichte es Frohnapfel, anzuknüpfen und neue Ideen auszuarbeiten.

 


Recherche vor Ort ist Schwerpunkt des seit 2012 vergebenen Stipendiums der Stadt Köln, aber die 1959 in Düsseldorf geborene Künstlerin macht viel mehr: Sie sucht, beobachtet, dokumentiert, sammelt, ordnet und kommentiert nach ihren eigenen Kriterien und nutzt dazu unterschiedlichste Medien. Deshalb war die Arbeit mit dem Archiv des »UMAM Documentation & Research« - Partner des Kölner NS-Dokumentationszentrums - zwar wichtiger Anker, aber eben nicht alles. So sind viele Fotos entstanden, die Grundlage für neue Arbeiten sind. »Anfangs, als ich noch nicht so viel wusste, habe ich ganz anders fotografiert«, erzählt sie, »gut, dass ich anfangs so viele Aufnahmen gemacht habe.« Der Schrecken, dass sie mit der Kamera im Süden der Stadt von der Hisbollah festgehalten wurde, sitzt ihr noch in den Knochen, aber sie nimmt es locker. »Die machen sich da ungemein wichtig. Dass die Armee nicht fotografiert werden darf, das weiß man natürlich, aber ich hatte lediglich eine Straße dokumentieren wollen.« Im manchen Stadteilen Beiruts schon Grund genug für Aufregung. Die Aufnahmen musste sie vor Ort löschen.

 


In der Hauptstadt des Libanon, wo derzeit viel abgerissen und gegraben wird und die Geschichte offen auf der Straße herum liegt, kann sich Frohnapfel ausgiebig den Scherben widmen. Seit einiger Zeit haben es ihr die kleinen zerbrochenen Keramik- und Glasteile angetan. 2008 brachte sie Wannen voller Scherben vom Gelände einer ehemaligen Maastrichter Keramikfabrik nach Köln, um diese, als ginge es um wichtige archäologische Fundstücke, zu ordnen, nummerieren, einzeln zu fotografieren und in ihrer Kölner Galerie Krings Ernst zu präsentieren. Zugleich recherchierte sie für die Ausstellung die Geschichte der Scherbe seit dem Scherbengericht in Athen 487 v.Chr. und kombiniert diese mit eigenen Ausflügen auf Trümmerberge wie den heimatlichen Herkulesberg.

 


Auf Parallelen zwischen Beirut und Köln — eine mehrere Jahrtausende alte Stadtgeschichte, Kriegszerstörung, Wiederaufbau — stößt Frohnapfel unweigerlich und stellt Fragen hier wie dort: Wann und wie bekommen die Scherben, Dinge überhaupt, einen Wert? Diese Frage trieb sie auch in Beirut um. »Heute ist hier anderer Schutt. Er scheint keine Bedeutung zu haben, weil er von privaten Grundstücken stammt, aber er ist für mich genau so interessant.«
Doris Frohnapfel macht in ihrer Arbeit Prozesse greifbar, ordnet Ereignisse ungewohnten Kontexten zu und lässt uns Dinge in neuen Zusammenhängen sehen. Die Methoden der Wissenschaft nutzt sie, um uns deren Subjektivität vor Augen zu führen. So zeigte sie kürzlich in einer Galerieausstellung zusammen mit Fotos des brachliegenden, von Oskar Niemeyer entworfenen Messezentrums in Beirut eine Vitrine mit vier rostigen Nägeln, die sie auf dem Gelände gefunden hat. Ob diese Nägel tatsächlich zu diesem baulichen Dokument der Moderne im Libanon gehören, ist eigentlich nicht wichtig, die Vorstellung zwar absurd, aber um so reizvoller.

 

Ähnliche Assoziationen will sie auch mit ihren neuen Arbeiten über Beirut wecken. Dabei be­-schäftigen sie die neuesten Entwicklungen der Stadt - die Entstehung riesiger Malls und Parkhäuser, die Sanierung und auch Privatisierung von Teilen der Innenstadt. Da gilt es genau hinzuschauen, und das tut Fronapfel. Für den kommenden April ist ihre Kölner Ausstellung mit den Beiruter Fundstücken geplant.

 


Infos: dorisfrohnapfel.de
Künstlerresidenz Köln — Beirut
Das Stipendium »Kunst und Dokument« wird als Austauschprogramm in
Zusammenarbeit der Stadt Köln,
der Stadt Beirut, dem BBK und
weiteren Partnern durchgeführt.
Parallel recherchierte der in Beirut
geborene Elie Alexandre Habib (»Siska«) drei Monate in Köln. Ausstellungen
beider Künstler sind für 2015 geplant.
Info: stadt-koeln.de