Matthew Herbert

Der Mann ist ein Phänomen. Auf geradezu bestürzende Weise führt er vor, wie kurz der Weg vom Elek­tronikfrickler zu everybodys Kunstdarling sein kann. Seit der Jahrtausendwende ist der vormals als House-Produzent nur Eingeweihten bekannte Matthew Herbert in Clubs wie dem Berghain und in Hochkulturstätten wie der Kölner Philharmonie unterwegs. Herbert ist populär.

 


Im Jahr 2001 erschienen seine »Bodily Functions«, ein House-Album, das auf Körpergeräuschen aufbaute. Mit seinem Anti-Sample-Manifesto hatte Herbert sich kurz zuvor Prinzipien der Musique concrète und der Aleatorik verpflichtet. Vor allem aber führte Herbert das Prinzip des Selbstgemachten in die kalte Welt der Presets ein. Dass der Hörer des Albums indes kaum etwas von all dem mitbekam, war das eigentlich Irritierende, die versponnene Mischung aus Deep House und Triphop verschleierte ihre kontingente Herkunft aus dem Darminneren.

 


Für Wirbel sorgt seither immer wieder das Ausgangsmaterial von Herberts Stücken: Aufnahmen aus der Massentierhaltung, von Bombenexplosionen in Libyen und vom Leben und Tod eines Schweins. Letzteres musste gar seine Haut für eine Trommel hergeben. Mit so viel Konzept im Gepäck überschreitet Herbert spielend die Grenze zur Kunst. Das Spektakelhafte der Ideen erinnert an den Gestus der Young British Artists der Nuller Jahre. Das Problem hier wie dort: Das Riskante der Idee findet sich kaum im Sicht- oder Hörbaren wieder. Man kann das besonders hintersinnig nennen oder einfach nur ein bisschen langweilig finden.

 


Auf der diesjährigen Ruhrtriennale wird Herbert seine KonzeptKomposition »20 Pianos« aus verschiedenen Piano-Sounds aufführen. Dabei will er den Sound unmittelbar an die »Berühmtheit« des jeweiligen Klavieres koppeln: So hat er u.a. den Klang von Rachmaninows Klavier, vom Grand Piano der britischen Königsmutter und vom Steinway, auf dem John Lennon »Imagine« einspielte, aufgenommen. Ob sich aus der Au­then­­tizität des Ausgangsmaterials eine ebenso besondere Musik herleitet? Vorsorglich kündigt die Ruhrtriennale das Konzert als eine Beschwörung an. Eine Sternstunde erratischer Instrumentenkunde kann man aber auf jeden Fall erwarten.