Im Zweifel gegen das Fremde

Nuran David Calis thematisiert in »Die Lücke« die Folgen des NSU-Anschlags auf der Keupstraße

Die Konstellation gleicht dem Neonazi-Trio des NSU: Für sein Stück hat Regisseur Nuran David Calis mit Simon Kirsch, Thomas Müller und Annika Schilling zwei Männer und eine Frau besetzt. Den Schauspielern stellt er drei türkischstämmige Laien gegenüber, die dabei waren, als die Bombe vor zehn Jahren vor dem Friseurladen Özcan in der Keupstraße explodierte.

 

Getrennt voneinander sitzen sie im Depot auf weißen Kästen und würdigen sich erst keines Blickes. Zwei Parallelwelten, dazwischen klafft buchstäblich die Lücke. Doch bevor Calis seine halbdokumentarische Versuchsanordnung über den skandalösen Fall, der die Opfer zu Tätern machte, auf der Bühne im Schauspiel Köln startet, wird der Zuschauer durch die benachbarte Keupstraße geführt. Türkischstämmige Anwohner erzählen ihre Geschichte, ein deutscher Hauseigentümer berichtet von der Entwicklung zur türkischen Meile.

 

Zurück am Hort bürgerlicher Hochkultur lässt Calis die Welten aufeinander krachen. In improvisierten Diskussionen konfrontieren die Schauspieler die Laien mit Vorurteilen, unterstellen kulturelle Zwänge und arbeiten sich am Fremden ab. Hätte es so ausgesehen, wenn das rechtsradikale Trio fähig gewesen wäre, seinen Hass verbal zu verhandeln? Die Deutsch-Türken sprechen für sich: Ayfer Sentürk Demir, deren Bruder entgegen der Konvention eine deutsche Frau geheiratet hat. Schulpädagoge und Rapper Kutlu Yurtseven, und Ismet Büyük, der für ein selbstbestimmtes Leben auch religiöse Verbote infrage stellt. Ihr natürlicher Erzählton berührt besonders, als sie von der erlebten Demütigung sprechen; organisierte Kriminalität, Schutzgeld, Geldwäsche, alles wurde der türkischen Community unterstellt — nur einen rechtsradikalen Akt hat man schnell ausgeschlossen. Oder wenn sie noch einmal auf Polizei, LKA und Verfassungsschutz wütend werden, die Akten schredderten, um mutmaßlich ihre eigenen rassistischen Strukturen zu verschleiern.

 

Immer wieder schimmert eine differenziert-distanzierte Sicht auf das Dilemma auf: »Ob die Lücke überhaupt geschlossen werden muss« oder es nicht vielmehr »um das Aushalten von Anderssein geht«. Auflösen wird der Regisseur es nicht. Am Ende sitzen sich alle wieder gegenüber. Die Lücke hat sich nicht geschlossen, doch es hat etwas stattgefunden: eine emphatische Annäherung, die Gewalt vielleicht nicht mehr zuließe. Das ist viel. Die markerschütternde Dimension des politischen Skandals trägt das Stück jedoch nicht.