In der Ruhe liegt der Tanz

Beim MAD-Festival stellt sich der junge zeitgenössische Wildwuchs der Tanzszene vor

»Es ist wie eine eigene kleine Welt, eine Oase, mit den Studios, dem Café, dem Grün drumherum.« Die Kölner Choreografin Carmen Casagrande schwärmt noch ein Jahr später von der Wachsfabrik in Sürth, die das Netzwerk für Tanzperformance und Kunst »Barnes Crossing« beherbergt. Zehn Tage lang hatte sie dort im Rahmen des MAD-Festivals an einem neuen Stück proben können. In aller großstädtischen Abgeschiedenheit, fern der Alltagshektik.


Genau dafür ist das MAD-Festival gedacht, das sich seit vier Jahren jeweils im Sommer »Movement and Art Development« widmet: Angehende Choreografen können sich bewerben um eine Residenz mit Mentoring der künstlerischen Leiterinnen Barbara Fuchs und Sonia Franken sowie eines externen Choreografen.  In der Regel werden fünf Künstler angenommen. Sie kommen mit Ideen oder mit fertigen Stücken, die sie bearbeiten und am Ende aufführen, meist nicht länger als zehn, fünfzehn Minuten. Warum es in den letzten Jahren fast immer Frauen waren, spricht für deren Kreativität. Oder dafür, dass die männlichen Kollegen sich ihren Berufsweg anders bahnen?

 


Carmen Casagrande hatte sich mit einer Konzeptidee zum Thema Herzschlag beworben, wie Atem und Muskeln rhythmisch aufeinander reagieren. »Ich wollte dazu mit drei Tänzerinnen eine ausführliche Bewegungsstudie erarbeiten, Zeit haben, um in die Tiefe zu gehen.« Eine solche Chance fehle oft beim terminlich gedrängten Arbeiten an Choreografien. Auf Basis ihres Kurzbeitrags fürs MAD produzierte sie ihr Stück »Heartbeat«. Als Teil des Labels NovaTanz hat sie es kürzlich in der TanzFaktur in Deutz aufgeführt. »Das ist jetzt sehr anders, nicht mehr nur pure Bewegung.«

 


Dieses Jahr präsentieren die Newcomer fünf Rohlinge, Solos und Duos ganz unterschiedlicher Art. In »Objekt der Begierde« gilt es das Phänomen Objektophilie zu erkunden. Wilhelmina Sempa tanzt in »Nachrichtencontainer« als Willie ihre Erfahrungen in der immer noch männlich dominierten Urban Dance Szene. In »Pop« geht es um den nackten Leib in seinem Verhältnis zu billigen, glitzernden Accessoires. Auch die Taiwanerin Shan-Li Peng wählt den Körper, allerdings macht sie ihn zum Ausgangspunkt ihrer Selbstbefragung: Welche Spuren hinterlassen fünf Jahre studieren, arbeiten und leben in Deutschland? In »Scissilis« werden physische Verbundenheit und emotionale Distanz sichtbar gemacht.