Bilder aus Tönen

Van Dyke Parks präsentiert Filmmusik,

die keine mehr ist

Er hat wieder allen ein Schnippchen geschlagen: Van Dyke Parks hat ein Album vorgelegt, das so kühn wie konservativ, so witzig wie geschmäcklerisch ist, das nicht nur, wie zu erwarten gewesen wäre, an seinen Status als Legende erinnert, sondern sein Ausnahmetalent untermauert.

 

»Super Chief: Music for the ­Silver Screen« versammelt Kom­positionen, die er in den letzten Jahrzehnten für Filme geschrieben hat, so weit, so wenig überraschend. Alle Stücke hat er aber aus ihrem Zusammenhang gelöst und sie neu arrangiert, so dass das Album einer eigenen Dramaturgie folgt. Weder hat Van Dyke Parks auf Vollständig­keit geachtet, noch auf Werktreue: Welchen Filmen er die Sequenzen entnommen hat, verrät er nicht. Nur soviel: Es sind auch unveröffentlichte Filme und Szenenmusik, die dem Schlussschnitt zum Opfer gefallen ist, darunter.

 

Van Dyke Parks hat ein neues Album geschaffen, für das er ganz aus seinem Fundus schöpfen konnte; und umgekehrt: Kaum ein Musiker von seiner Statur dürfte dermaßen unbekümmert mit den Glanztaten seiner Vergangenheit umgehen. Ach ja, die Glanztaten! Der heute 71-jährige Van Dyke Parks ist ein hemmungslos durchgeknalltes musikalisches Universalgenie, das vom lieben Gott aber mit zwei Gaben beschenkt wurde: Disziplin und Bescheidenheit. Ein Exzentriker, der so aussieht, als hätte er einst eine mittlere Beamtenlaufbahn bei der Finanzbehörde eingeschlagen. Und der auch so hartnäckig fleißig wie ein Finanzbeamter zu Werke geht. Als junger Schauspieler war ein Kinderstar, aber er ist vor allem ein Geschöpf des immer schon leicht überhitzten, zur Dekadenz neigenden kalifornischen Studiosystems: Arrangieren, Stückeschreiben, für die Stars und Starlets Bands zu­sam­menstellen — alles im Akkord­tem­po. Es gibt Zeiten, in denen maximale Kommerzialität maximale Kreativität freisetzt, Parks ist in so einer Epoche groß, aber nie erwach­sen geworden. Der Überschuss seiner Kreativität hat ihn Ende der 60er Jahre an die vorderste Front der schließlich ultimativ überhitzten und dekadenten Popkultur katapultiert: seine (auf höchstem Niveau gescheiterte) Zusammenarbeit mit den Beach Boys, seine Soloalben »Song Cycle« (1969) und vor allem das postkoloniale, so witzige wie er­greifende »Discover America« (1972).

 

Man kann solche Alben nur vorlegen, wenn man in Musik denkt. Van Dyke Parks erwähnt in den Linernotes zu »Super Chief« einen Schlüsselmoment: Als Kind fragte er den Stummfilmstar Lilian Gish, wie sie mit der Einführung von Ton umgegangen sei. Sie antwortete, dass sie wie selbstverständlich davon ausgegangen sei, alles was man in Tonfilmen hören würde, wäre Musik! »Super Chief« löst sechzig Jahre später diese Erwartung ein: Ein Film nur aus Musik. Aber die Bilder fehlen doch?! Das fällt nicht weiter auf.