Stadtplanung mit Strickliesel

Der Sülzer »Tag des guten Lebens« lenkt den Blick auf aktuelle Konflikte bei der Freiraumplanung

Huch, ein »Tag des guten Lebens« in Sülz? Im Viertel der Lehrer und Kinderwagenschieber, im Refugium der leitenden Angestellten? Aber sicher, findet Mitorganisatorin Pamela Hartmann vom Verein Agora: »Der Tag des guten Lebens‹ ist ja kein Privileg irgendwelcher Ehrenfeld-Hipster.« Die Sülzer jedenfalls wissen das Experiment zu schätzen: Die Lindenthaler Bezirksvertretung stimmte geschlossen für den autofreien Sonntag in Sülz, und »die dort ansässigen Vereine, Gemeinden und Bürger haben die Idee sofort mitgetragen und sich an der Planung beteiligt.« Letzteres ist entscheidend, denn es gibt keine Eventmanagement-Agentur, die im Voraus planen würde, was am 21. September passieren wird. Wenn 35 Straßen zwischen Universitätsstraße, Sülzgürtel, Zülpicher und Luxemburger Straße für den Autoverkehr gesperrt werden, bestimmen allein Anwohner und Vereine, was an dem Tag geschieht und ob dies ein ähnlicher Erfolg wird wie die Premiere in Ehrenfeld.

 

Unter dem Motto »Freiraum/Gemeinschaftsraum« sind die Sülzer eingeladen, den öffentlichen Raum vor ihrer Haustür in Beschlag zu nehmen und mit eigenen Aktionen zu gestalten. Basisaktion ist ein großes Nachbarschaftsfrühstück im Freien, darüber hinaus haben weit mehr als 100 Bürger und Vereine Aktionen angemeldet. Man liegt nicht falsch, wenn man bei Sülz als erstes an ein großes Kinderspektakel denkt: Vom Kinderflohmarkt über Malaktionen bis zum generationenübergreifenden Stricklieseln reichen die von den Anwohnern angemeldeten Aktionen. Darüber hinaus gibt es aber auch Pflanzaktionen, Lesungen, Musik — und Sülzer Geschichtsforschung: Eine Gruppe von Anwohnern sucht Menschen, die alte Fotos, Postkarten und Bücher zur Verfügung stellen und am Tag des guten Lebens Geschichten von früher erzählen.

 

Wenn es nach den Veranstaltern um den Verein Agora geht, soll der 21. September aber nicht nur ein Straßenfest für Nachbarn sein. Es gehe vielmehr darum, einen Anstoß zu geben, sich in Gestaltungsprozesse einzumischen: »Wir wollen aus dem Veedel herauszoomen und aktuelle, auch konfliktträchtige Prozesse der Freiraumentwicklung sichtbar machen«, so Hartmann. Die Organisatoren von Agora haben deshalb Bürgerinitiativen und Netzwerke aus ganz Köln eingeladen, sich am Tag des guten Lebens zu präsentieren. Auf Interesse dürfte da vor allem die Bürgerinitiative Innerer Grüngürtel am Eifelwall (BIGE) stoßen, die ihr alternatives Planungskonzept für das Eifelwall-Gelände vorstellt und die Sülzer dazu einlädt, ihre persönlichen Vorstellungen vom Eifelwall-Gelände der Zukunft aus Ton zu modellieren. Der Gründer der dort ansässigen Bauwagensiedlung, Sri Ketan Rolf Tepel, plant außerdem eine Prozession von Sülz aus zu seinem »ParaDies« — wenn es bis dahin nicht von der Stadt geräumt wurde. Wo derzeit noch das Autonome Zentrum und das Bauwagenidyll angesiedelt sind, sollen in den nächsten Jahren das Stadtarchiv und ein Neubau des Justizzentrums entstehen.

 

Das Bürgernetzwerk Südliche Innenstadterweiterung (BÜSIE) wiederum will sich dem sperrigen Prozess der Bürgerbeteiligung über die werbewirksame Form des Speeddatings nähern: So sollen die Besucher auf dem Tag des guten Lebens in kürzester Zeit eine Idee davon bekommen, wie man die Stadt mitgestalten kann. Und natürlich sollen auch Kontakte geknüpft werden. Die Mitveranstalterin und Sülzerin Pamela Hartmann hofft, dass an diesem Tag möglichst viele Menschen aus möglichst unterschiedlichen Kontexten miteinander ins Gespräch kommen: die neu zugezogenen jungen Familien mit den alteingesessenen Sülzern zum Beispiel, oder mit den vielen im Viertel wohnenden Studenten. »Entgegen dem Klischee ist Sülz ist nämlich ziemlich vielfältig, und diese Vielfalt wollen wir sichtbar machen.«