Retrospektive Nakahira Kô

Ohne den 1978 verstorbenen Regisseur Nakahira Kô hätte es die japanische Kinomoderne so nicht gegeben. Wie das mehr als zwei Dutzend Filme umfassende Programm des Japanischen Kulturinstituts bis Ende Dezember zeigt, drehte Nakahira ständig Meisterwerke. Ihre innere Unruhe und existenzielle Zerrissenheit — selbst in gesetzter scheinenden Filmen wie »Scarlet Wings« (1958) — sind bis heute bestürzend gegenwärtig.

 

Dennoch wird Nakahira in der Filmliteratur stets auf das Frühwerk »Juvenile Jungle« (1956) reduziert. Das liegt daran, dass er nicht wie Ôshima Nagisa und Konsorten eine Konfrontation mit dem Bestehenden durch einen Bruch suchte, sondern eine Erneuerung der Filmsprache innerhalb der Industrie, eine produktive Weiterentwicklung im Rahmen des Bestehenden wagte. Nakahira machte dementsprechend meist Genrekino: Krimis (»Who’s the Real Killer«, 1957), Melodramen (»The Seasons of Love«, 1958), Sexfilme  (»Flora on the Sand«, 1964) und Gangsterfilme (»The Black Gambler: Devil’s Left Hand«, 1966).

 

Künstlerische Höhenunterschiede waren ihm fremd: Eine Literaturadaption nach einer Vorlage von Mishima Yukio wie »But the Flesh Is Weak« (1957) unterscheidet sich in ihrer Haltung nicht grundsätzlich von poppigen Unternehmungen, etwa seinen Beiträgen zu der Mitte der 60er Jahre in Japan beliebten Kinoserie um den Bond-artigen »Black Gambler«. Egal was Nakahira anpackte, es besticht durch erzählerischen Druck, einen vorzüglichen Sinn für visuelle Spannungen sowie eine eigentümlich schillernde Form von Schauspiel, in der Exzesse einhergehen mit Momenten höchster Zurücknahme. Für Nakahira war das einzelne Werk wenig mehr als eine Wegmarke. So sollte man sich denn auch durch dieses Oeuvre treiben lassen: offen, absichtslos, neugierig, auf alles gefasst.